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Parker Pyne ermittelt

Parker Pyne ermittelt

Titel: Parker Pyne ermittelt
Autoren: Agatha Christie
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Der Fall der enttäuschten Hausfrau
     
    E inem viermaligen Grunzen folgte die ungehaltene Frage, warum man ihn nicht einfach in Ruhe lassen könne. Dann schlug Mr Packington die Tür hinter sich zu und fuhr mit dem Zug um 8.45 Uhr in die Stadt. Mrs Packington saß am Frühstückstisch. Ihr Gesicht war puterrot angelaufen, und ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich geworden. Es gab nur eins, das ihren Kummer nicht in Tränen verwandelte, und das war grenzenlose Wut. »Das lasse ich mir nicht bieten!«, sagte Mrs Packington. »Ich lasse mir das nicht bieten!« Sie blieb einige Augenblicke grübelnd sitzen und murmelte dann: »Diese Hexe. Widerliches, gerissenes, kleines Biest! Wie kann George nur so ein Dummkopf sein.«
    Ihre Wut verging, und der Kummer kehrte zurück. Tränen traten Mrs Packington in die Augen und liefen ihr über das Gesicht, das Gesicht einer Frau mittleren Alters. »Ich kann hier sitzen und davon reden, dass ich es mir nicht gefallen lasse, aber was kann ich schon tun?«
    Plötzlich fühlte sie sich einsam und verlassen, hilflos und elend. Langsam nahm sie das Morgenblatt zur Hand und las eine Anzeige auf der Titelseite, und das nicht zum ersten Mal.
     
     
    »Lächerlich!«, sagte Mrs Packington. »Vollkommen lächerlich.« Und dann: »Na ja, ich könnte ja vielleicht…«
    Das erklärt, warum Mrs Packington trotz einiger Nervosität um elf Uhr morgens in Mr Parker Pynes Büro geführt wurde.
    Wie bereits gesagt, war Mrs Packington nervös, aber schon der schiere Anblick von Mr Parker Pyne beruhigte sie sehr. Er war wohlbeleibt, um nicht zu sagen fett; sein kahler Schädel hatte einen geradezu prächtigen Umfang, die Dicke seiner Brillengläser war mindestens genauso beeindruckend, und seine Augen funkelten verschmitzt.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Mr Parker Pyne. »Sie sind aufgrund meiner Anzeige hierhergekommen?«, fragte er freundlich.
    »Ja«, antwortete Mrs Packington, sprach jedoch nicht weiter.
    »Und Sie sind nicht glücklich«, sagte Mr Parker Pyne auf seine fröhliche, aber zugleich sachliche Art. »Die wenigsten Menschen sind das. Sie wären vermutlich sehr überrascht zu hören, wie wenige von uns wirklich glücklich sind.«
    »Tatsächlich?«, fragte Mrs Packington, aber insgeheim dachte sie, dass es für sie nur von geringem Belang war, ob andere Menschen glücklich waren oder nicht.
    »Das ist für Sie uninteressant, ich weiß«, sagte Mr Parker Pyne, »aber für mich ist es interessant. Wissen Sie, fünfunddreißig Jahre lang habe ich bei einer staatlichen Behörde Statistiken erstellt. Nun bin ich in Rente, und ich hatte die Idee, dass ich all meine Erfahrung auf neuartige Weise einsetzen könnte. Es ist eigentlich recht einfach. Die Gründe für fehlendes Glück lassen sich in fünf Kategorien einordnen – nicht mehr und nicht weniger, das versichere ich Ihnen. Sobald der Grund für das jeweilige Leiden erkannt ist, liegt eine Heilung sehr wohl im Bereich des Möglichen.«
    »Ich übernehme in diesem Fall die Aufgabe des Arztes. Zuerst diagnostiziert der Arzt die Erkrankung des Patienten, und dann schlägt er eine Behandlung vor. Es gibt Fälle, bei denen eine Behandlung nicht möglich ist. Wenn dem so ist, dann gestehe ich offen ein, dass ich nichts für Sie tun kann. Aber ich versichere Ihnen, Mrs Packington, wenn ich den Fall annehme, dann ist die Heilung praktisch garantiert.«
    Konnte das wirklich sein? War es nur Unsinn, oder sprach er vielleicht die Wahrheit? Mrs Packington schaute ihn hoffnungsvoll an.
    »Wollen wir Ihren Fall diagnostizieren?«, fragte Mr Parker Pyne lächelnd. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Fingerspitzen aufeinander. »Ihre Sorgen haben mit Ihrem Ehemann zu tun. Sie haben ein insgesamt recht glückliches Eheleben geführt, und Ihr Ehemann, so scheint es mir, ist recht erfolgreich gewesen. Ich gehe davon aus, dass in diesem Fall eine junge Frau im Spiel ist – vielleicht eine junge Frau im Büro Ihres Ehemanns.«
    »Eine Schreibkraft«, meinte Mrs Packington. »Ein kleines, widerliches, aufgehübschtes Biest. Besteht nur aus Lippenstift, Seidenstrümpfen und Locken«, brach es plötzlich aus ihr hervor.
    Mr Parker Pyne nickte beschwichtigend. »Da ist doch nichts Schlimmes dran – ich bin mir sicher, dass es Ihr Ehemann so formuliert.«
    »Das sind genau seine Worte.«
    »Warum sollte er daher nicht einfach die Freundschaft dieser jungen Frau genießen und ihr schlichtes Dasein mit ein wenig Freude, ein wenig
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