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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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Wasserfälle.
    »Still, Schätzelchen, still, hach, Schönpüppchen, alles wird gut, Milchschlabbertrienchen, alles wird gut.«
    Sie hatten Mamurra bisher mit ihren komischen Worten und Kosenamen immer zum Lachen bringen können, und es gelang ihnen auch jetzt. Mamurra lachte unter den Tränen, doch nur um, wie in solchen Fällen oft, danach um so heftiger weiter zu weinen. Den alten Frauen brach es fast das Herz. Eine Eidechse beobachtete die Szene.
    Nach einem ausufernden Mahl und einem langen Abschied auf dem Hof gingen Cheira und Heira nach Hause. Baba Baluk und Mamurra sahen ihnen nach, wie sie im Mondlicht den Hügel hinabwankten. Merkwürdig, daß sich kein Mensch draußen zeigte und nicht das geringste Geräusch aus den Häusern drang.
    Nach einem außergewöhnlich zärtlichen Minnespiel –
    Hüftespiel, wie Cheira und Heira das nannten – konnte Mamurra keinen Schlaf finden. Sie stützte sich auf ihren Ellenbogen und sog das schlummernde Profil ihres Mannes in sich auf, verzehrte es geradezu mit Augen, die nur aus einem Glitzern und Pupillen bestanden. Baba Baluk und Mamurra hatten sich eben zum ersten Mal vollkommen nackt geliebt, zum ersten Mal hatte er sie voller Bewunderung von allen Seiten betrachtet, und voller Bewunderung hatten seine Hände sie gestreichelt. Sie hatte ein schamloses Gurren von sich gegeben, während ihre Haut prickelte und ein Rieseln sich hinunter zu ihrem Unterleib zog. Sie lächelte selig, weil er endlich verstanden hatte, daß sie an seinem Streicheln spüren wollte, wie schön er sie fand, und daß er sie sah und nicht nur begehrte: Körbeweise sollte er erst den Blick mit ihren Formen und Schattenlinien füllen, bevor er sie mit kräftigen Händen bei den Flanken packte. Er sollte unbedingt ein vollständiges Bild von ihr besitzen, bevor er mit ihr in einem gemeinsamen Universum verschmolz und sie sich im Tastsinn und Speichel auflösten.
    Ihr Gesicht strahlte jetzt vor Liebesstolz, und in ihrem Körper taute noch der Rausch, doch ihre Lippen und Augenbrauen trauerten. Er war unmittelbar danach eingeschlafen: Ob Cheira und Heira vielleicht auch ein Mittel für das Nachspiel hatten?
    Die Eule flatterte vom Dach zur Fensterbank und wollte etwas sagen, kam aber nur bis zum Fragepronomen. Mamurra war vor lauter Gerührtheit wie betäubt, was übrigens nur Frauen passiert, und die Eule stotterte im Rhythmus ihres rätselhaften Herzens. Ab und zu brummte Baba Baluk im Schlaf und schüttelte den Kopf, als plagte ihn eine Mücke, dabei waren es ihre Finger, die sein Gesicht streichelten und abwärts tippelten, über die Schlüsselbeine stolperten und zu seinem Nabel hinabglitten. Noch nie in ihrem Leben hatte sie getan, was sie jetzt tat: Sie berührte seinen Striemel, der träge im Gekräus lag, eine kleine Fleischaubergine: dunkel, glänzend und, vor allem in letzter Zeit, samenprall. Er war rührend anzusehen, gerippt, als stünde jede Linie für ein Jahr oder die Male, die sie ihn empfangen hatte. Und unter dem Striemel der Doppelstulp einer Weide. Der Anblick faszinierte sie, und ihr Herz verfiel in Galopp. Die Eule flog davon.
    Baba Baluk lächelte. In der Ferne fingen Frösche plötzlich an zu quaken und hörten erst auf, als sie erschrocken die Hand wegzog. Er drehte sich auf die Seite. Sie legte den Kopf auf das Kissen und schloß die Augen, um ihr Herz zur Ruhe kommen zu lassen, es wechselte allmählich vom Trab zum Schritt. Ihr war, als dämmerte in ihrem Unterleib ein Morgen, ihre Beine wurden weich, doch traute sie sich nicht, ihn zu wecken. Die Frösche fingen wieder an zu quaken, und es klang wie Gelächter; sie mußte an das laute Lachen von Cheira und Heira denken.
    Als er sich auf den Bauch drehte, betrachtete sie lange seinen Rücken, bevor sie ihn berührte. Erfolgreich unterdrückte sie das Bedürfnis, sich auf ihn zu legen, wenn auch auf eine erwachsenere Art als früher, wenn sie auf den Rücken ihrer Mutter kletterte. Die Wollust tobte durch ihren Körper wie ein hippeliges Kind. Vollkommen ratlos brach sie in stille Tränen aus, Tränen, die auf seinen Rücken fielen und in seinem Traum gleichzeitig vom Himmel Paravions stürzten, welches grün war und auf dessen Bächen und Flüssen vom endlosen Regen lauter Punkte zu sehen waren. Er träumte, daß er auf dem Rücken in diesem Wasser trieb, zufrieden und glücklich, ohne Arbeit zwar, aber im Bewußtsein des größten Luxus; die Ufer auf beiden Seiten waren von Obstgärten verschattet. Das Wasser war
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