Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
Vom Netzwerk:
Hause zurück. Prachtgebinde aus frischen, saftigen Pflanzen, die eigentlich nur in wasserreichen Gebieten, in der Nähe von Bergbächen oder fruchtbaren Wadis wuchsen, eigentlich überall, nur nicht dort, wo sie wohnten.
    Sie sammelten Harmelkraut, Nachtschatten, Wolfskraut, Mandragora, Mohnkapseln und Mutterkorn, außerdem verkauften sie Petersilie, Lavendel, Rosmarin, Koriander und Krauseminze an Frauen, die die Kräuter beim besten Willen nicht finden konnten. Jede noch so düstere Krankheit und Anfechtung, worunter vor allem die stets klagenden Greisinnen zu leiden hatten, vermochten sie mit ihren heilkräftigen Pflanzen zu kurieren. Nicht umsonst hielten die Leute sie für Hexen.
    Nach jeder Exkursion kehrten sie fröhlich, voller Heiterkeit und schmutziger Witze zurück, als wären sie nicht in Hitze und Trockenheit über tote Erde und an kahlen Bergen vorbei gegangen, sondern hätten einen Nachmittag im Knabenbordell verbracht.

    Und von jedem Besuch bei ihnen brachte Mamurra irgendein Kraut oder Amulett mit nach Hause. »Gib das deinem Mann zu essen, hänge ihm das um«, forderten sie sie auf, »dann wird die Nacht ein Freudenharem für dich werden. Wenn’s nicht hilft, komm wieder.« Dann verabschiedete sich Mamurra und rannte den Hügel hinunter. Auf dem Grundstück, das seit Generationen zum Erbe der Baba Baluks gehörte, prüfte sie, ob die Früchte des Feigenbaums bereits reiften, und rannte danach den Hügel wieder hinauf zu ihrem Haus. Der Abend war gelb bepudert, die Nacht brach an, und auf dem Platz sah sie ein Feuer leuchten.
    Diesmal nicht eines von Dämonen oder Feuerfliegen. Die Dorfbewohner hatten sich unter der Führung des Dorfältesten versammelt, um darüber zu beratschlagen, was jetzt, da sie Baba Baluks Pläne kannten, zu tun sei. Der Dorfälteste nickte fortwährend, den Stock wie eine Enkeltochter gegen die Brust gelehnt. Die Stechmücken tanzten einen Feuertanz, die Sterne blinkten. Die Jungen, die bei der Versammlung anwesend sein durften, waren auf den Schößen ihrer Väter eingeschlafen. Das zustimmende Nicken mancher Männer war unbemerkt in ein Nickerchen übergegangen. Nachdem alle den Entscheidungen zugestimmt hatten, erhoben sie sich gichtgekrümmt und knacksend und schlurften mit den Kindern auf den schläfrigen Armen nach Hause; dort legten sie sich auf ihre Frauen, nicht alle machten sich erst die Mühe, sie zu wecken, und befruchteten sie im selben Moment, als hätten sie es verabredet
    – da war Baba Baluk noch beim Vorspiel –, nur das vertrocknete Dorfoberhaupt enthielt sich; seine Libido war längst erloschen, er legte sich ächzend und stöhnend neben sein betagtes Eheweib, das schlief wie ein Rosenstrauch.
    Am nächsten Tag bereiteten sich die Jungen schon einmal auf ihre zukünftige Aufgabe vor, indem sie ihre Schwestern, egal ob jünger oder älter, herumkommandierten und in die Häuser prügelten. »Ab ins Haus!« lautete der am häufigsten vernommene Ruf. Die Väter sahen es mit Wohlgefallen und streichelten ihre knorrigen Wanderstöcke, mit denen sie nur selten wanderten.
    Als Baba Baluk abreiste, erging es den Mädchen lausig, waren alle Frauen im vierten Monat und die Jungs wahre Monster geworden.
    Am Tag vor dem Aufbruch betrachtete Baba Baluk wie ein Reiher sein Wasserreich die Feigenbäume unten im Abqar-Tal, ein trauriger König. Der Abend war gelb und blau und füllte sich bescheiden mit dem Glöckchengeläut seiner zwei mageren Ziegen, die unter den Bäumen kauten, in Gesellschaft des Esels. Baba Baluk ging hinab, um sich von den Ziegen zu verabschieden, die sich durch seine Umarmung beim Weiden nicht stören ließen, und nahm den Esel mit nach oben, um ihn zu tränken. Ein letztes Mal blickte er hinauf zum gewölbten Dom. Er hatte einen Kloß im Hals und blinzelte heftig.
    Im Haus unterhielt sich Mamurra gerade chaotisch und lebhaft mit Cheira und Heira, die ihr bei der Zubereitung einer üppigen Abendmahlzeit halfen. Aufgeregt rannte sie hin und her, lachte laut und gekünstelt, um ihr verkrampftes Herz zu überstimmen. Cheira und Heira schüttelten darüber betrübt die Köpfe. Mamurra wich ihren Blicken aus und hob nicht einmal den Kopf, als Baba Baluk auf der Türschwelle erschien. Die Zwillinge gaben ihm mit Zeichen zu verstehen, daß er weggehen solle. Als sie die Schultern von Mamurra, die ihnen den Rücken zugewandt hatte, zucken sahen, ließen sie alles stehen und liegen und nahmen sie in die Arme: Mamurras Augen waren zwei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher