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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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Ratschlag, seine Fußsohlen mit Fledermaushirnsalbe einzureiben, schien am Ende geholfen zu haben.
    Aus Baba Baluks Haus schwebte Flaum, weiß wie Mandel-und Zitronenblüten. Die Kinder rannten hinterher. Einen Moment lang glaubten die Leute, es schneie, bis die Fläumchen auf ihren Handflächen landeten.
    Wer aber hatte nun den geheimen Entschluß der beiden verraten?
    Die Zwillingsschwestern Cheira und Heira wohnten auf der Hügelkuppe, in einem kleinen verfallenen Haus, das sich unter den Laubschatten eines Johannisbrotbaumes verbarg. Dieser eine Baum platzte vor Vögeln und deren Gesang, und doch waren sie meist unsichtbar. Die Blätter bewegten sich unaufhörlich. Die zwei Frauen waren unzertrennlich. Niemand hatte jemals die eine ohne die andere gesehen. Auch war keinem klar, wie sie sich fortbewegten, die Füße waren nie zu sehen, denn die Fransen ihrer Kleider reichten bis zum Boden.
    Sie gingen, sie schlurften, nein, watschelten eher, oder noch besser: Sie kenterten unter dem Faltenwurf ihrer schlampigen und weitfallenden Kleidung in stetiger Umarmung vorwärts, jede auf einen Stock gestützt. Auf dem Kinn hatten beide eine Tätowierung, die Hände waren schwarz von verschwenderisch verwendetem Henna und faltig wie eine Felswand oder eine verkrüppelte Weide. Ihre Münder gingen unter den Hautverwerfungen fast verloren. Wenn man bedachte, daß sie mehrere hundert Jahre alt waren (Sie müssen wissen, meine Herren, die beiden haben die Berge wachsen sehen), so sahen sie für ihr Alter noch recht gut aus. Haut war drapiert wie ihre Gewänder, die so typisch waren für die alten Frauen in diesem Land: übereinandergelegte Stoffetzen, da und dort verknotet und mit sackartigen Ausstülpungen, die man sowohl für welke Körperrundungen als auch für bauschige Falten halten konnte, dazu viele falsche, lose hängende Goldfäden, und über all diesem trugen sie ein weites gestreiftes Umschlagtuch. Sie bestanden aus mehr Schichten als eine Zwiebel.
    Ihre tiefliegenden Augen mit den traurigen Lidern beherbergten in graugrünen Iriden ein lebendiges Licht –
    »rastlose Augen« nannte man das hier: Augen, denen nichts entging und die eine Vorliebe für die obszönen Seiten des Lebens erkennen ließen. So amüsierten sie sich zum Beispiel unter schrillem und schallendem Gelächter über die Granatapfelblüten, die sie sich auf den Schoß legten und Mamurra zeigten, um diese damit in die anatomischen Geheimnisse des Frauseins einzuweihen. Über das gelbe Pulver der Staubgefäße, das an ihren Fingern kleben blieb, und über die zweideutigen Worte, die nur Frauen kannten und die Mamurra bis zu den Haarwurzeln vor Scham erröten ließen, obwohl das schwer zu sagen war, da sie andauernd rot wurde.
    Sie streichelten Mamurras Haut und betasteten die geschmeidigen Gliedmaßen mit größerer Lust als für das Mädchen gut war.
    »Hoffentlich weiß dein Mann etwas mit diesem Satinfleisch anzufangen«, sagten sie und wieherten wieder vor Lachen.
    Dann faßten sie Mamurra beim lieblichen Kinn-kinnchen – so nannten sie es – und seufzten über so viel Schönheit, über die Farbpalette ihrer Augen und über den Mund, ein im Schnee zusammengerollter Ibis.
    »Leih uns deine Brüste, Kind, eine nur. Unterschätze deine beiden Mütter nicht.« Sie zupften daran und strichen ihr zärtlich über Locken und Hüften.
    Was sie Mamurra mit Hilfe von Feigen lehrten, bedarf keiner weiteren Erklärung.
    »Na, na, na!« murmelte Mamurra.
    Sie drückten sie innig an ihre überquellenden Brüste und lachten entzückt. Ihre Liebe für das Mädchen kam der einer leiblichen Mutter gleich. So, wie sie damals unter diesem Feigenbaum im Abqar-Tal gelegen hatte, ein gurrendes Menschenmolekülchen, ein strampelnder Mondtropfen, über die kleine weiße Körperperle spielten grüne und gelbe Schattenpunkte, war ein ungeheuer betörender Duft von ihr ausgegangen, die Augen groß und glücklich mit dem Himmel in den Lidgewölben.
    Cheira und Heira fehlten die Zähne, und der einzige Zahn, den sie noch hatten, war gelbliches Elfenbein. Die kühlen Stunden des Tages verbrachten sie mit der Suche nach Kräutern und Heilpflanzen. Sich kabbelnd, quasselnd und kichernd wie Frauen beim Einkaufsbummel durchkämmten sie die ingwernen Flächen, kümmeligen Täler und zimtnen Bergpässe. Obwohl die Landschaft verdorrt war – hier wuchsen vor allem Kakteen, Disteln und graue, trockene Olivenbäume –, kehrten sie stets mit großen Vorräten in den Rockschößen nach
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