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Paraforce 3 - Jagd auf einen Totengeist

Paraforce 3 - Jagd auf einen Totengeist

Titel: Paraforce 3 - Jagd auf einen Totengeist
Autoren: Klaus Frank
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weniger unruhig als Ben, das konnte man dem Mann anmerken, der ein schlechter Schauspieler war. Immer wieder fuhr seine blasse Zungenspitze über die Lippen und befeuchtete sie. Und ständig räusperte er sich, ein auf die Dauer nervtötender Laut. Wie er da neben dem Greis stand, hätte es eine idyllische Szene aus einem Film sein können; ein Sohn, der sich rührend um seinen alten Vater kümmert. Lediglich das mit Blut besudelte Hemd und die Panik in den Augen der Geisel zerstörten diesen Eindruck.
    Ben überlegte, was er tun sollte, wenn Lutz Bürger hier erschien. In diesem Fall hätte er vermutlich einen weiteren Unschuldigen vor sich, der Befehle vom Totengeist erhielt. Vielleicht hätte Ben die Hilfe von Crenz doch nicht ablehnen dürfen. Doch was hätte es ihm gebracht?, fragte sich Ben. Auch mit seiner Unterstützung wäre der Totengeist nicht aufzuhalten gewesen.
    Ben hörte Kretschmanns schweres Atmen, das einem Röcheln ähnelte. Der Mann tat ihm leid, er verstand sicher die Welt nicht mehr und war vollkommen allein mit seiner Todesangst. Ben verzichtete jedoch darauf, Nenth erneut aufzufordern, den Mann freizulassen. Er würde seinen Trumpf natürlich nicht freiwillig aus der Hand geben, obwohl er selbst in diesem Fall die besseren Karten gehabt hätte, da er ja immer noch im Besitz von Bens Pistole war, die im Moment achtlos neben Nenth auf einem Tisch lag.
    Vage erinnerte Ben sich an das Gesicht des alten Mannes, der in den ersten vier Jahren seiner Schulzeit der Klassenlehrer gewesen war. Soweit er sich entsann, hatte er nie Probleme mit ihm gehabt; eine seiner Stärken war gewesen, alle Kinder seiner Klasse gleich zu behandeln, niemand wurde benachteiligt, niemand hervorgehoben. Er bestärkte die Kinder in ihrem Glauben und nahm sie alle ernst. Kretschmann war ein guter und sensibler Lehrer gewesen.
    Und nun saß er hier und befand sich in der Hand eines gewissenlosen Mannes, dem es egal war, ob Kretschmann lebte oder nicht. Ben ballte in einem Reflex seine Hände zu Fäusten. Der alte Mann musste ungeschoren aus dieser Sache rauskommen, das schwor er sich.
    Hörte er plötzlich ein Geräusch? Irgendwas war an Bens Ohren gedrungen, ein ferner, vager Laut, nur konnte er ihn beim besten Willen nicht einordnen. Genauso gut hätte es ein Tier sein können, das auf nächtlicher Jagd war. Er äugte zu Nenth hinüber, um zu prüfen, ob er ebenfalls etwas gehört hatte, aber dessen Gesicht war zu verschlossen, sodass Ben nicht darin lesen konnte; lediglich die Zunge erforschte unentwegt die dunkle Höhlung seines Mundes. War der Mann des Wartens langsam überdrüssig? Konnte es vielleicht sogar sein, dass Bürger nicht kam? Leise Hoffnung stieg in Ben auf, als er sich mit diesem Gedanken befasste. Dann hätte etwas Nenths Pläne durchkreuzt.
    Der Laut wiederholte sich nicht und nach einer Weile sagte Ben sich, dass es nichts mit Lutz Bürger zu tun gehabt haben konnte. Von fern hörte er bald die Glocken zweier Kirchen in beinah dem gleichen Takt schlagen. Er hörte jeweils zwei Schläge. Seit zwei Stunden befand er sich also bereits in seiner alten Schule, beinah genauso lang in Nenths Gefangenschaft. Das konnte Nenth so nicht beabsichtigt haben. Irgendetwas war geschehen.
    Im Klassenzimmer wurde es empfindlich kühl, Ben schloss und öffnete seine Hände, um sie einigermaßen warm zu halten, außerdem spannte er immer wieder die Muskeln seiner Arme an. Zudem schmerzten langsam seine Beine vom pausenlosen regungslosen Stehen. Er hob sie nacheinander an, um die Gelenke und Muskeln zu entspannen.
    Nenth sah das und verzog sein Gesicht zu einer grinsenden Grimasse. »Geht es noch? Sie können sich gerne auch setzen.« Gönnerisch zeigte er auf einige der Stühle, die in Bens Nähe standen.
    Ben winkte ab. »Ich werde lieber stehen bleiben.«
    »Ganz wie Sie wollen.«
    »Ich habe Durst«, sagte da Alois Kretschmann. Zum ersten Mal war seine Stimme zu hören, der Tonfall war der teuflischen Situation absolut nicht angemessen; sie klang sanft und leise, beinah melodiös. Eine Stimme, die wie geschaffen war für Diktate und die Reinheit der Grammatik. Sein Gesicht hingegen erzählte eine vollkommen andere Wahrheit, es war bleich und eingefallen. Sein ausgebranntes Fleisch glänzte im kalten Licht der Neonröhren, die Haut war so straff über den Schädel gestülpt, dass Ben fast glaubte, die Knochen hinter dem Gesicht schimmern zu sehen.
    »Sie werden noch etwas warten müssen, alter Mann«, gab Nenth zur
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