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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Autoren: Anthea Bischof
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und drehten sich und tollten.
    Ihr Sohn Curdin, der in dieser Begegnung gezeugt wurde, stand im Lichte beider Sterne, er war sentimental und gefühlsschwanger und bis zur Verzweiflung hin zynisch und abgeneigt einem jeden Schwelgen.
Es war kein einfaches Leben in dieser Art.
     
    Curdin Müller war Vincents Vorgesetzter. Er leitete die Niederlassung in Asunción und war über alles informiert. Er bemühte sich stets um die sachlichste Handhabe aller Vorkommnisse und das Reglement war seine Bibel. Dass er Vincents bedingungslose Art eigentlich bewunderte, blieb sein Geheimnis, denn in den meisten Fällen kritisierte er diesen in jeder Abweichung vom herrschenden Kodex.
    Vincent ging bei seiner Rü ckkehr aus La Chacarita in die Büroküche und packte ein paar Eiswürfel in ein Küchentuch. Diese legte er auf sein pulsierendes Auge, trank einen Schluck Wasser aus dem Spender und begab sich dann auf den Weg zu Curdin Müllers Büro. Die kommende Unterredung versprach wenig Freude.
    „Abend Curdin“, sagte Vincent beim Eintreten, immer noch seine improvisierte Kompresse am Auge. „Hast du einen Augenblick Zeit?“
    „Was gibt es denn?“ fragte Curdin, als er aber aufblickte, sank er im Sitz zurück und sah Vincent entgeistert an.
    „Ich bin in eine Schlägerei geraten“, sagte Vincent gedehnt .
    „Du hast dich doch hoffentlich nicht daran beteiligt?“, fragte Curdin entsetzt.
    „Ehrlich gesagt…“, Vincent liess die Begebenheit vor seinem inneren Auge ablaufen. Er hätte nicht auf die Gruppe hätte zugehen sollen, doch wenn er sich nicht verteidigt hätte, wäre er nun noch viel schlechter beieinander gewesen. Allerdings war da Luz. Luz, die eingegriffen hatte. Warum sie das wohl getan hatte? Wohl kaum weil sie ihn besonders schätzte. Wahrscheinlich stammte sie selbst aus dem Viertel, darum hatte sie ihm die bitteren Vorwürfe gemacht. Sie hatte sich und ihr Quartier wohl von ihm vorverurteilt gesehen.
    „Na…?“, fragte Curdin.
    Vincent schilderte ohne viele Beschönigung den Hergang und vermerkte nur kurz, eine der Frauen hätte eingegriffen, was Schlimmeres verhindert hätte, liess aber unerwähnt, dass er dieselbe aus dem Polizeirevier kenne.
    „Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen!“ sagte Curdin darauf.
    „Wahrscheinlich, ja“, erwiderte Vincent. „Willst du mich rausschmeissen?“
    „Das kann ich mir nicht leisten. Aber was soll ich machen, wenn einer von denen zur Polizei geht oder noch besser zur Presse?“ fragte Curdin.
    „Dann sagst du, dass du mich einem Disziplinarverfahren unterzogen hast und dann wenden wir uns an Genf und ich gehe wenn nötig“, meinte Vincent. „Gibt es keine offizielle Handhabe für so was?“
    „Nein Vincent, das gibt es nicht, denn von humanitären Helfern nimmt man an, dass sie Pazifisten sind. Nicht dass sie sich auf eine Möbelei auf der Strasse einlassen.“ Curdin sprach wie mit einem begriffsstutzigen Kleinkind und Vincent seufzte.
    „Tu was du für richtig hältst, ich bin schon damit einverstanden“, sagte er darauf und wollte sich eben verabschieden.
    „Vincent, ich habe immer bew- … geschätzt, wie du mit den Leuten hier umgehst, was du aus ihnen raus bekommst und wie du Konflikte löst. Das heute fällt völlig aus dem Rahmen, den ich von dir gewohnt bin. Kann ich mich weiter auf dich verlassen, wie wir es gewohnt sind? Oder brauchst du mal eine Pause?“
    „Ich glaube, es war eine einmalige Sache, ich weiss nicht, was dort über mich gekommen ist“, erwiderte Vincent und war erstaunt über die Worte Curdins. Er konnte sich nur erinnern, kritisiert worden zu sein, aber das waren neue Töne. Sie blickten sich über den Tisch in schweigendem Unverständnis an, dann nickte Vincent und erhob sich. Curdin stand ebenfalls auf und trat auf Vincent zu. Er schlug ihm auf die Schulter, setze dazu an etwas zu sagen, unterliess es und liess sich dann wieder im Bürostuhl nieder.
    „Na dann“, sagte Vincent und verliess das Büro.
     
     
    Vincents Auge wurde mit der Schwellung erst rot, dann violett und erreichte dann tiefes Schwarzblau. Als eine Kollegin ihn darauf hinwies, dass er die Farbe der Saison getroffen habe, sah er sie schief an, worauf sie ihm Make-up zum Übertünchen anbot. Er lehnte dankend ab.
    Der Vorfall der Schlägerei sprach sich in Windeseile herum und Vincent stand in einem völlig neuen Ruf. Weder seine Kollegen aus der Heimat noch die paraguayanischen Helfer verschonten ihn von regelmässigen Anspielungen und
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