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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Autoren: Anthea Bischof
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Stösse. Der Hass flirrte zwischen Menschenleibern wie die Hitze auf dem Staub und ihr Schweiss mischte sich im Zusammentreffen ihrer platzenden Haut.
    Das Mordlusttier ergriff da ihre Seelen und in die Greul des Tötens und Hackens stürzten sie sich ganz. Sie wussten nicht mehr von ihrer Wut, ihr Hass kannte kein Gesicht. Es verschwammen Freund und Feind vor ihrem Blick, nur das dampfende Blut machte sie brünstig, sich im Schmutz der Strasse auf die Hungernden zu werfen, sie zu würgen und zu schlagen, nur um zu fühlen, es sei mehr Leben in ihnen als in den Verendenden. Wie unter den Bissen des Ungeheuers barsten Knochen, sprangen Muskeln, spritzte Blut. Ihrer Wut war da kein Halten und keine Grenzen kannten ihre Schläge. Angst und Hass verflossen und es nichtete sich das Leben aus der Lebensgier der Hungernden. Blindheit fiel über die Prügelnden, ein Sud aus Verlust und Tötenwollen mengte sich in ihnen und riss sie immer rückhaltloser in seinen Wirbel des Schreiens, Hackens und Stöhnens. Das Mordlusttier erging sich in dem Wüten, es frass die Dämpfe, es genoss die Angst, gierte nach ihrem Hunger, erstarkte in den Todesschreien.
    Und als das Zucken erlahmt, als verdampft das Blut, erkaltet die Leiber waren, hob sich das Mordlusttier hinfort. Es schmatzte gesättigt und scherte sich nicht um die schuldbeladenen Menschen.
     
    Als sie erwacht aus ihrem Wüten, so machten sie aus ihrem Schrecken Gesetze.
    Es wurde verboten, Ladenbesitzer anzugreifen, auch wenn Hungersnot herrschte. Es wurde verboten, Lokale zu betreten, wenn der Wirt oder Eigentümer einen zu Gehen bat. Es wurde verboten, jemand zurückgebliebenen Bastard einer einbeinigen Hure zu nennen. Aber wer hätte die Kraft gehabt, ein Gesetz gegen den Hunger zu machen?
     
    Achte der Götter, die dich lieben für deine Taten, denn die göttlichen Dämonen lassen dich ewig allein in deiner Schuld.

I
    Der Schlaf ist seines Bruders Gnade, auch der Hass ist nur Gefühl.
    Das Streben reicht nur nach dem Zwischenziel
    im Zirkel grosser Wandel
    und folgt der Weltenuhr doch immer
    Schlag auf Schlag.
     
    Zur zweiten Stunde des Mittags kam Vincent Thal an die Strassenkreuzung, an der der Kampf stattgefunden hatte. Als Mitarbeiter des Internationalen Roten Rings sollte er zusammen der örtlichen Polizei herauszufinden, was hier gestern vorgefallen sei. Von seinem Posten im Zentrum von Asunción war er nach dem armen dem Rio Paraguay benachbarten Viertel La Chacarita gefahren.
    Nur ein paar Strassen von hier lag militärgeschützer Reichtum, hier aber herrschte die Armut. Das Elend wohnte im Westen der Regierung: Gleich neben dem schmucken kolonial inspirierten Bau breitete sich auf den Schwemmlanden des Rio Paraguay die Stadt der Armen aus. Seit Jahrhunderten beherbergte das unbefestigte Ufer Ausgestossene und alles unwillkommene Volk, welches wechselnde Regierungen weder wünschten noch einluden, jedoch durchgehend kultivierten. Auf engstem Raum lebten mehr als zehntausend Menschen. Die öffentliche Gewalt kümmerte sich wenig um La Chacarita, selbst der Gestank der ungereinigten Trampelpfade und der Haufen von Abfällen gehörten einfach dazu. Da sich aber die Schlägerei gleich in Nachbarschaft des Regierungssitzes abgespielt hatte, hatte man auf sich gehalten und die Polizei vorbeigeschickt.
    Als Zeichen seiner Mitgliedschaft des Hilfswerks trug Vincent nur ein diskretes Zeichen auf Brusthöhe. Er fiel ohnehin auf. Er besass den einzigen Jeep mit gesichertem Ersatzrad. Hier.
    Er schloss den Wagen ab und betrachtete die Kreuzung. Wo der Ladenbesitzer verendet war, lagen noch die Spuren, welche die Polizei um seine Leiche gezogen hatte. Sie sahen seltsam verkürzt aus. Das Blut hatte sich niemand die Mühe gemacht wegzuwischen. Die Familie des Ladenbesitzers, hatte Vincent gehört, war verschwunden. Zwei weitere Tote hatte die gestrige Strassenschlacht mit sich gebracht. Die Umrisse ihrer Leichen zeugten im Staub vom weggeräumten Tod. Vereinzelte Splitter und Kartonecken der Kisten lagen herum, leere Fetzen von Maissäcken waren im Staub zu erkennen, die Fenster des Ladens waren zerschlagen und Scherben schimmerten auf dem gepflasterten Boden. Fünfzehn Menschen hatten medizinische Hilfe benötigt, eine ernstzunehmende Zahl, wenn man bedachte, dass es ohne direkte Bezahlung nicht einmal ein Heftpflaster gab. Sie hatten grössere Schnittwunden, zum Beispiel über die gesamte Länge des Oberarms, Knochenbrüche. Ein schmächtiger Mann war zertrampelt worden
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