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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Autoren: Anthea Bischof
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Thal im Zuge seiner Entlassung Unrecht getan worden sei. Dies bat der Internationale Rote Ring eindringlich zu entschuldigen und bot an, Herrn V. Thal umgehend wieder als geschätzten Mitarbeiter in seinen Dienst aufzunehmen.
    Vincent betrachtete das Schreiben mit Befriedigung. Es tat fast so wohl wie die Genesung seiner Hand, die es ihm inzwischen wieder erlaubte, sich wie gewohnt zu bewegen. Auch sein Kiefer wurde besser, obgleich die Operation zur Entfernung der gebrochenen Zahnwurzeln ein mühseliges Unterfangen gewesen war. Doch inzwischen hatte er sich an die zwei Stiftzähne und die Krone gewöhnt und nur selten erinnerte ihn beim Zubeissen der Knochen noch an Concepcion. Seine Rippen heilten zusehends und die Blutergüsse waren über alle Farben des Regenbogens endlich verblasst. So war Vincent nicht nur für die Seinen, sondern auch für den Rest der Menschen vorteilhaft.
    „Der Ring nimmt mich gnädig wieder auf“, sagte Vincent zu sich selbst. Dann setzte er sich nieder und verfasste mit grosser Gelassenheit seine abschlägige Antwort.
     
     
    Es war Juli, als Vincent am Wasser sass, an der schmalen Stelle, wo der Fluss sich in den See ergiesst. Kühler Wind aus den Bergen durchzog die widerspiegelnde Lucerna, der Hitze des Sommers von schneeigen Höhen kündend. Die bewaldeten Hänge am anderen Ufer lösten sich ins Blau und in der dichten Menge der Flaneure mischten sich bunt alle Farben und Formen von Kleidung und Haut. Eine Vielzahl von Stimmen verband sich mit den ausdauernden Schreien der Möwen.
    Er sass auf einer der schmiedeeisernen Bänke im Schatten und blickte hinaus auf das Wasser, das nicht floss und nicht stand, das weder Reuss noch Vierwaldstättersee war. Er blickte ins gleichsam verwobene Licht, das sich weder in Dunst verhüllte noch aufklarte. Unter seinen Augen schied sich das Weben ins Tausenderlei und in Vielfalt zerfloss ihm seine altbekannte Sicht.
    Es war eine überschäumende Freiheit in Vincent, die er nie zuvor gekannt hatte. Nichts war mehr da, das ihn beschränkte und ihn festhielt. Er war am Ort, da er geboren worden war, doch an jeder anderen Statt war er ebenso daheim. Was auch immer vor ihm lag war so fest wie der Wellen ewiges Spiel und was ihn barg war nur die Sicherheit seines Selbsts. Vincent besass nichts und doch alles. In seinem Leben blieb nichts mehr schützenswert, denn die Welt war ihm gleichzeitig übervoll und leer.
    Er wusste, ob er alles verlöre und unter der Brücke lebte wie ein Streuner oder ob er begütert und mächtig wäre, es wäre ihm so gleich wie die Luft auf seiner Haut. Die Freiheit, die er erlangt hatte, war weiter als sein Blick reichte und das einzige was Vincent fühlte, war überreicher Frieden.
    Wo hl blickte er vor sich, als Lila in Weiss an ihm vorüberging.
     
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