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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Autoren: Anthea Bischof
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fühlte die alte Angst in sich aufsteigen, sie glitt gegen die Wahrheit Marcials hin in den Staub. Doch mit einer übermässigen Anstrengung ermächtigte sie sich und kleidete sich in die Realität, die Vincent sie gelehrt hatte.
    „Geh! Geh woher du gekommen bist, hier lasse ich dich nicht mehr sein!“ sprach sie und der Dämon floss zusammen in das Mausoleum des Steins, den sie für seine Wohnstatt vordem bestimmt hatten.
    Consuelo presste die Hände gegen ihre Schläfen und konzentrierte sich. Es würde nicht der letzte sein, der wieder zu ihr zurückkehrte. Das Haus war voller Dämonen, denen sie Wohnung gegeben hatte. Waren sie für die meisten auch nur ein kalter Schauer oder völlig ungefühlt, so beherrschten sie doch deren Gedanken und frassen aus deren Herzen wie die Geier aus dem modernden Aas.
    „Weiter“, ermahnte sie sich und trat zu der kleinen Luke zum Untergeschoss, durch die sie zu schlüpfen gedachte. Sie räumte sorgfältig Kraut und Gräser beiseite, die das kleine breite Fenster verbargen, griff nach dem verborgenen Haken, indem sie die Hand verdrehte und mit der Fingerspitze das rostige Metall bewegte. Sie konnte nach wenigen Versuchen die Verankerung lösen und schob mit einer vorsichtigen Bewegung die Luke auf. Sie war so schmal, dass sie nur flach zu atmen brauchte, um hinab zu gleiten und den Kopf hielt sie seitwärts, als sie die letzen Zoll weit hinab rutschte. Dann liess sie sich am oberen Rahmen der Luke los und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem gestampften Lehmboden der alten Speisekammer. Bis anhin hatte sie nur versucht, aus dem Haus zu entkommen, nie hatte sie hineinkommen wollen.
    Die ehemalige Speiskammer beherbergte nur mehr ein paar alte Küchengeräte und leere Kisten. Es war ein staubiger, niedriger Raum mit rauen unverputzten Wänden. Consuelo überprüfte, ob die Tür sich öffnen liess, dann brachte sie das Fenster wieder in die Position wie vor ihrem Einbruch.
    Sie seufzte. Nun hatte sie die schwerste Aufgabe ihres Lebens vor sich. Doch sie wusste sich nicht anders zu helfen, als indem sie schwere Schuld auf sich lud. Consuelo musste schwarzen Schaden gegen Marcial richten.
    Mit den Händen grub sie eine kleine Vertiefung in den lehmgestampften Boden. Nur wenige Zoll tief musste es sein, das reichte schon. Da hinein legte sie das Haar von Herrn Marcial, das sie einmal auf einem Laken gefunden hatte, nachdem er von ihr weggegangen war. Sie hatte es in einem schlichten Papiertaschentuch verwahrt. Es war in der Zeit gewesen, als sie im Haus der Flammenden Herzen gefangen gewesen war und nun würde sie es benutzen. Dazu gab sie ein paar Tropfen dicken Öls. Nun streute sie staubige Erde darauf und begann zu sprechen:
    „Kommt herbei ihr Verdammten und Gepeinigten, kommt herbei all ihr, die ihr Grauen erzeugt, die ihr gesündigt und gemordet habt. Kommt herbei, die ihr Schrecken und Fressen wollte, die ihr nichts habt als das Leiden der Menschen, die ihr flieht die Strahlen der Engel, die ihr euer Wohl nur findet in des Hasses kalter Glut. Kommt, die ihr beschworen seid aus der Angst der Gläubigen, aus der Machtgier des Rodrigo Marcial. Kommt herbei den zu suchen, der euch knechten will. Kommt herbei und beendet eure Sklaverei, kommt herbei, ihn selbst zu schrecken, kommt herbei seine Macht zu wenden, kommt herbei, ihm den Schaden zu vergelten, den er euch vom Throne seiner Verachtung zugefügt hat. Kommt und folgt meinem Gebot zum letzten Male, ehe ich Freiheit euch gebe, nach der Labsal eurer Rache.“
    So grausam hatte sie noch nie gesprochen, doch sie versagte sich ein stummes Gebet, da es die Wirkung ihres Schwarzzaubers geschmält hätte.
    Consuelo bemerkte bereits die Veränderung der Luft, das Aufwallen der Dämpfe, das Aufspringen der Höllentore hin gegen das Haus der Gemeinde der Flammenden Herzen. Hastig zog sie den weissen Kreis um sich und bannte aus dem Raum ihres Herzens die Gewalten der Verdammnis. Doch sie entdeckten sie, sie drangen zu ihr, heissglühend angezogen von der Verheissung. Sie wünschten die Rache, sie suchten die Vergeltung, sie wollten Marcial für sich haben. Sie ersehnten die Macht zurück, die er ihnen geraubt.
    Als gleich einem mächtigen Schwarm die Bösen und die Dunkelgeister, die Schadens mahre, die Dämonen und die Alpe sich um sie scharten, musste Consuelo aus der unvergänglichen Tiefe der Erde die Kraft sich borgen, um zu bestehen. Wie mächtig waren doch die Hässlichen, die Gedrängten, die Hasstragenden und die
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