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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Autoren: Hubert Wolf
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forderte er eine feierliche öffentliche Stellungnahme der höchsten kirchlichen Autorität, möglichst des Papstes selbst, die «eine präzise Demarkationslinie zwischen Glauben und Politik» ziehenmüsse, um dadurch eine Instrumentalisierung der katholischen Kirche und des Konkordatsabschlusses durch die Nationalsozialisten auszuschließen. Im Grunde genommen war der Verfasser des Memorandums davon überzeugt, daß eine Aufspaltung des Nationalsozialismus in eine letztlich akzeptable, wenn auch nationalistische Partei, mit deren staatlichen Vertretern die Kirche durchaus Verträge schließen könne, und eine christentumsfeindliche Ideologie, die von der Kirche mit Nachdruck bekämpft werden müsse, prinzipiell nicht möglich sei. Solche Gedankenspiele einer Differenzierung der NSDAP in einen «guten» politisch deutschnationalen und einen «bösen» weltanschaulichen Nationalsozialismus wurden offenbar nicht nur in Deutschland, sondern auch an der Römischen Kurie jener Jahre angestellt. So hatte etwa der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl Diego von Bergen in einer Audienz bei Pacelli zwischen dem «Neuheidentum» mancher Nationalsozialisten, gegen das man kirchlicherseits legitimerweise vorgehen dürfe, und dem «politischen Nationalsozialismus», den man nicht attackieren dürfe, unterschieden.[ 4 ] Für jenen Gutachter dagegen war die NSDAP nicht nur eine Partei, sondern zugleich eine politische Religion. Das Kreuz Jesu Christi als das Symbol des Christentums und das Hakenkreuz als Heilszeichen der Hitlerbewegung stünden beide für einen universalen und umfassenden Anspruch. Beiden gehe es um den ganzen Menschen und die ganze Gesellschaft, beide seien – wie der Gutachter schrieb – in diesem Sinne «totalitär» und daher grundsätzlich nicht miteinander vereinbar. Es handele sich vielmehr um zwei einander ausschließende Weltanschauungen.
    Die Befürchtungen des Gutachters, der Nationalsozialismus beabsichtige, das Christentum als Religion abzulösen, waren keinesfalls aus der Luft gegriffen. Man war in Rom genauestens darüber informiert, wie die Partei insbesondere in der Jugendarbeit versuchte, Adolf Hitler an die Stelle von Jesus Christus zu setzen und zum Messias zu stilisieren. Der Text eines Liedes der Hitlerjugend, das offensichtlich Bischof Joannes Baptista Sproll als Beleg für die christentumsfeindlichen Agitationen der Nationalsozialisten im Rottenburger Dom bei einer Predigt verwendet hat, liegt dem Faszikel, aus dem auch das Gutachten stammt, bei.[ 5 ]
    Wir sind die fröhliche Hitlerjugend,
Wir brauchen keine christliche Tugend,
Denn unser Führer Adolf Hitler
Ist unser Erlöser, unser Mittler.
    Kein Pfaff, kein böser kann uns verhindern,
Uns zu fühlen wie Hitlers Kinder.
Nicht Christus folgen wir, sondern Horst Wessel,
Fort mit Weihrauch und Weihwasserkessel!
    Wir folgen singend Hitlers Fahnen,
Nur dann sind wir würdig unserer Ahnen.
Ich bin kein Christ und kein Katholik,
Ich geh mit S.A. durch Dünn und Dick.
    Die Kirche kann mir gestohlen werden,
Das Hakenkreuz macht mich glücklich auf Erden;
Ihm will ich folgen auf Schritt und Tritt.
Baldur von Schirach, nimm mich mit!
    Die Unvereinbarkeit von Katholizismus und Nationalsozialismus wird in dem Gutachten zunächst dogmatisch auf dem Feld der Lehre entfaltet, bevor Schlußfolgerungen für die Politik des Heiligen Stuhles gezogen werden. Während die katholische Kirche gerade in ihrer weltumfassenden Sendung die Verwurzelung der Menschen in einem bestimmten Land und ihre Liebe zur Heimat als «wohlgemeinten Nationalismus» durchaus anerkenne, «wird der Nationalsozialismus sofort zur Idolatrie und falschen Lehre, weil er nur das Wohl des eigenen Volkes vor Augen hat und alle anderen Völker vergißt». Zu den metaphysischen Grundgesetzen des Universums gehöre nach katholischer Lehre aber der Grundsatz der Verschiedenheit in der Einheit, die in der einen Taufe, die Menschen unterschiedlichster Rassen und Sprachen in dem einen Gottesvolk zusammenführt, ihren sichtbaren Ausdruck gefunden habe. Es gibt nicht mehr Juden, Griechen oder Römer, vielmehr «sind alle Getauften Auserwählte Gottes». Wer wie die Nationalsozialisten «nur sein Volk für edel hält, alle anderen aber für Barbaren», stehe damit im klaren Widerspruch zur christlichen Lehre und vertrete eine vorchristliche heidnische Theorie. «Die offizielle Lehre des aktuellen deutschen Regimes» mit seinem Biologismus, der alle moralischen Qualitäten auf die Rasse
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