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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Autoren: Hubert Wolf
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Deutschland, 1930, von Pius XI. zum Kardinalstaatssekretär ernannt wurde. Jetzt war er der vatikanische Empfänger der Berichte seines Nachfolgers, Cesare Orsenigo (1873–1946). Jetzt analysierte er mit dem Papst die Situation in Deutschland und zog daraus Schlüsse für seine Politik. Diese knapp tausend archivalischen Einheiten stellen für die Kenntnis der vatikanischen Sicht auf Deutschland bereits einen Quantensprung dar, auch wenn die Erschließungsarbeit der Quellen erst am Anfang steht. Die internen Diskussionen der Kurie, die Sitzungsprotokolle der verschiedenen Kongregationen, die Unterredungen des Papstes mit seinem Kardinalstaatssekretär, die Aufzeichnungen über die Audienzen der beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter lagen jedoch genausowenig vor wie die Berichte der Nuntien aus der ganzen Welt und die römischen Weisungen an sie sowie die entsprechenden Nuntiaturarchive. Diese braucht man aber, um Licht in den römischen Informationsstand zu bestimmten Fragen und vor allem die internen römischen Meinungsbildungsprozesse bringen zu können. Im Februar 2006 machte Papst Benedikt XVI. deshalb alle Akten des Vatikanischen Geheimarchivs aus dem PontifikatPius’ XI. vom 6. Februar 1922, dem Tag der Wahl Achille Rattis zum Papst, bis zum 10. Februar 1939, dessen Todestag, der Forschung zugänglich. Dabei handelt es sich um die gewaltige Menge von rund hunderttausend archivalischen Einheiten, also Schachteln, Faszikeln, Konvoluten oder Aktenbündeln mit jeweils bis zu tausend Blatt Umfang.
    Die im Vatikanischen Geheimarchiv 2003 und 2006 neu zugänglich gewordenen Quellen bieten, wenn sie einmal erschlossen und ausgewertet sein werden, die einmalige Möglichkeit, die Konfrontation der mit absolutem Wahrheitsanspruch auftretenden katholischen Kirche mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts aus der Sicht der Kurie zu rekonstruieren. Für den Bolschewismus der Sowjetunion, den Faschismus Italiens, den Franquismus Spaniens, den Antiklerikalismus in Mexiko, den Austro-Faschismus und den österreichischen Ständestaat und nicht zuletzt den Nationalsozialismus in Deutschland liegen umfangreiche Bestände vor. Diese Akten aus verschiedenen Länderserien des Staatssekretariats beziehungsweise der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten und aus den verschiedenen Nuntiaturarchiven sind alle ins Vatikanische Geheimarchiv überführt worden.
    Auch die internen Akten des Staatssekretariats, die Unterredungen des Kardinalstaatssekretärs mit den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern und nicht zuletzt die Notizen Pacellis über seine fast täglichen Audienzen bei Pius XI. enthalten äußerst interessante Informationen. Dazu kommen die Überlieferungen der unterschiedlichen Kongregationen und vor allem auch des Heiligen Offiziums als der obersten römischen Glaubensbehörde.
    Eine umfassende Analyse der geradezu endzeitlichen Konfrontation des
totalitarismo
der Kirche mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts kann nur in einer internationalen historischen Zusammenschau Erfolg haben. Dafür ist es so kurz nach der Archivöffnung von 2006 angesichts der immensen Aktenmassen noch zu früh. Zudem sind noch nicht einmal alle Akten, die Deutschland und den Nationalsozialismus betreffen, gehoben, geschweige denn ausgewertet, obwohl sie bereits 2003 zugänglich wurden. Immerhin sind hier aber erste Aussagen auf sicherer Quellengrundlage möglich. Darüber hinaus ist eine Reihe französischer, italienischer und deutschsprachigerArbeiten, die auf der Basis der neuen vatikanischen Quellen erschienen sind, hilfreich für dieses Buch gewesen. Hier sind an erster Stelle die Studien von Thomas Brechenmacher zu nennen, der eine Internet-Edition der Nuntiaturberichte Cesare Orsenigos aus Berlin in den Jahren 1930 bis 1939 vorbereitet. Neben den Werken von Gerhard Besier, Giovanni Sale, Andrea Tornielli und Matteo Napolitano sei besonders auf zwei Biographien verwiesen: Emma Fattorinis
Pio XI, Hitler e Mussolini,
in der bereits einige der erst seit 2006 konsultierbaren Bestände verarbeitet sind, sowie das bereits 2003 erschienene große Lebensbild Pius’ XII. aus der Feder von Philippe Chenaux. Auf eine ausdrückliche Diskussion der verschiedenen Positionen wird jedoch bewußt verzichtet.
    Eine Geschichte des Verhältnisses zwischen dem Vatikan und Deutschland in der Zeit von 1917 bis 1945, die alle Aspekte berücksichtigt, läßt sich auf der Basis der zugänglichen Quellen
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