Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Autoren: Hubert Wolf
Vom Netzwerk:
Gegenteil: Das Taufbuch spielt dabei überhaupt keine Rolle. Ausschlaggebend ist allein der Nachweis wissenschaftlichen Könnens. Wer das Empfehlungsschreiben einer Universität oder einer anderen Forschungseinrichtung in der Tasche hat, wer Erfahrungen mit der Recherche in großen Archiven vorweisen kann, wer gute Kenntnisse in Latein und Italienisch hat und im Entziffern alter Handschriften geübt ist, bekommt uneingeschränkten Zutritt.
    Daß die Vatikanischen Archive «geheim» sind, bedeutet nicht, daß etwas verborgen und vertuscht werden soll. Der Ausdruck «geheim» ist vielmehr im Sinne von «privat» zu verstehen. Das «Archivio Segreto Vaticano» ist kein öffentliches Archiv im gewöhnlichen Sinne, sondern das Archiv eines Souveräns, des Papstes, der deshalb auch das volle und alleinige Verfügungsrecht über alle Bestände hat. Ursprünglich hatte das Geheimarchiv einzig die Aufgabe, den Päpsten und der Kurie als Verwaltungsregistratur zu dienen. Solche Geheimarchive waren in Europa gang und gäbe, als Beispiele zu nennen sind hier etwadas «Preußische Geheime Staatsarchiv» in Berlin oder das «Geheime Hausarchiv» der Wittelsbacher in München.
    Wer in die Vatikanischen Archive möchte, muß also keinen Taufschein vorlegen – aber zumindest beim ersten Besuch ein Tagesvisum, schließlich ist die Vatikanstadt ein unabhängiger Staat. Und zu jedem Archivbesuch muß man von der Republik Italien in die Città del Vaticano einreisen und einen Grenzübertritt hinter sich bringen. Dieses Visum erhält man nach dem Ausfüllen eines Formulars, wenn man den Schweizer Gardisten sein Anliegen schildert, die den einzigen offiziellen Grenzübergang zwischen Italien und dem Vatikan bewachen, die rechts vom Petersplatz gelegene Porta Santa Anna. Der Weg zum Archiv, die Via del Belvedere, führt vorbei an den turmhohen Mauern des Vatikanischen Palastes. Vatikanischer Supermarkt, vatikanische Post und die Bank des Vatikans in ihrem runden Turm bleiben rechts und links des Weges liegen. Durch eine weite Einfahrt gelangt man in einen der Innenhöfe des Gebäudekomplexes, der neben den Vatikanischen Museen auch die Vatikanische Bibliothek umfaßt. Der Eingang zum Archiv liegt auf der rechten Seite dieses Innenhofs, des Cortile del Belvedere. Um Punkt halb neun am Morgen beginnt der stets freundliche Mitarbeiter hinter der Rezeptionstheke, die
Tessere
der Wissenschaftler einzusammeln und im Gegenzug Schließfachschlüssel zu verteilen. Die
Tessera,
den Benutzerausweis, stellt nebenan ein anderer Mitarbeiter aus. Wer zum ersten Mal im Vatikanischen Geheimarchiv, das zur Zeit unter der Leitung des ausgewiesenen Archivars und Historikers Bischof Sergio Pagano steht, forschen will, muß ihm das Empfehlungsschreiben vorlegen, einige Angaben zur Person und zu seinen Forschungsgegenständen machen und sich für die
Tessera
digital fotografieren lassen. Das war es dann aber auch.
    Der modern ausgestattete Lesesaal befindet sich im dritten Stock, er bietet Sitzplätze für etwa siebzig Forscher, von denen die meisten immer ihren Laptop dabei haben. Zwar wird um angemessene Kleidung gebeten, aber gerade die jüngeren Historiker tragen manchmal auch Turnschuhe und Jeans zum Sakko. Durch große Fenster und eine stets nur angelehnte Tür fällt der Blick auf einen grünen Hinterhof, den Cortile della Pigna, der auf derselben Geländehöhe wie der Lesesaal im dritten Stock liegt – hier merkt man, daß der Vatikan ein Hügel ist. In diesem Hof plätschert ein kleiner Brunnen; die freundlichenMitarbeiter einer kleinen Cafeteria servieren einen erstklassigen Cappuccino und verkaufen belegte Sandwiches. Für den phantasievoll mordenden Mönch aus Dan Browns Thriller wäre das vermutlich ein wenig inspirierendes Umfeld. Hier treffen sich Historiker aus aller Welt zum Erfahrungsaustausch. Manches Forschungsprojekt und internationale Symposion wurde hier schon geplant.
    Der Lesesaal des Vatikanischen Geheimarchivs in seiner alten Bestuhlung. Heute finden sich moderne Schreibtischstühle, Leselampen und Steckdosen an jedem Platz. Die Lesepulte sind jedoch geblieben, auf sie sind die Archivalien zu legen. Hinten im Lesesaal führt eine Tür direkt zur Vatikanischen Bibliothek.
    Seriöse Wissenschaftler glauben selbstredend auch nicht daran, daß die katholische Kirche hinter den hohen Mauern des Vatikans den Heiligen Gral oder sonstige Geheimnisse versteckt, die den Bestand der Kirche gefährden könnten. Mystische Verschwörungstheorien
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher