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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Autoren: Hubert Wolf
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zurückführe, verstoße somit grundsätzlich gegen die Prinzipien des christlichen Universalismus.
    Am deutlichsten zeige sich die dogmatische Unvereinbarkeit der nationalsozialistischen Lehre mit der Lehre der Kirche auf dem Feld der nationalsozialistischen Rassentheorie. «Die Theoretiker des deutschen Regimes verleugnen den sogenannten Geist», der ohne Verwurzelung in der eigenen Rasse «durch die Welt umherirrt». «Sie stellen dem Geist die sogenannte kollektive Seele der Rasse gegenüber», die völlig von den «körperlichen Qualitäten» abhänge und unbedingt mit den «Blutsqualitäten» übereinstimmen müsse. Diese vom katholischen Standpunkt her gesehen völlig falsche Lehre «der kollektiven Seele und des Blutes» sei um so gefährlicher, weil sie nach Hitlers «Machtergreifung» offizielle Grundlage der deutschen Zivilordnung geworden sei und auch die evangelische Kirche in Deutschland die Theorie der Rasse in ihre Lehre aufgenommen habe. Damit spielte das Gutachten auf die nationalsozialistische Kirchenpartei der Deutschen Christen an, die 1933 bei den Kirchenwahlen die Mehrheit erreicht hatte und später sogar die Nürnberger Rassengesetze mit dem Arierparagraphen auch gegen die Pfarrer der evangelischen Kirche anwenden sollten. Der Papst hingegen habe erst vor kurzem «Vertreter der farbigen Rassen zu Bischöfen geweiht» und ihnen damit das oberste Amt in der Kirche übertragen, um zu demonstrieren, «daß die Kirche keine Rassenvorurteile kennt». Gleichzeitig finde – so der Gutachter – gerade im Heiligen Jahr 1933 «eine der größten Verfolgungen der Juden statt, die die Geschichte jemals erlebt hat». Aus Gründen der eindeutigen katholischen Lehre, die jeden Rassismus und Antisemitismus klar verurteile, hoffte der Verfasser des Memorandums auf ein öffentliches Wort des Heiligen Vaters gegen die Judenverfolgung in Deutschland – eine Hoffnung, die sich jedenfalls im Jahr der «Machtergreifung» Hitlers nicht erfüllen sollte. Die Priorität der reinen Lehre vor diplomatischen Kompromissen und politischer Opportunität stand für den Verfasser des Promemorias jedenfalls eindeutig fest.
    Besonderes Interesse verdienen die Überlegungen zum Totalitarismus des Nationalsozialismus – vom offiziellen Organ des Vatikans, dem
Osservatore Romano,
ein knappes Jahr später auch öffentlich ausdrücklich als «totalitarismo hitleriano»[ 6 ] bezeichnet –, dem der Gutachter den Totalitarismus der katholischen Kirche gegenüberstellt. Zwar wird lobend anerkannt, daß das nationalsozialistischeRegime in Deutschland die falschen Doktrinen des Individualismus, Sozialismus und Liberalismus entschieden bekämpft habe, aber die totalitäre Theorie der Rasse, die «alle menschlichen Werte von den nordischen Völkern entstammen läßt», stehe zur europäischen Zivilisation, die auf einer Synthese von antikem und christlichem Denken basiere, in krassem Widerspruch. Nationalsozialismus und Katholizismus könnten nicht nebeneinander existieren und schon gar nicht eine Synthese eingehen, weil beide einen totalen Anspruch auf den ganzen Menschen erheben. «Der Begriff der Totalität darf nicht dazu ausgenutzt werden, um politische und weltliche Ziele zu erreichen. Die Kirche selbst strebt nach Totalität, wenn sie den ganzen Menschen und die ganze Menschheit für Gott verlangt.» Hier werden aus der klassischen Katechismusfrage «Wozu sind wir auf Erden?» und ihrer Antwort «Um Gott zu dienen und in den Himmel zu kommen!» radikale Konsequenzen gezogen. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um Sein oder Nichtsein. «Die Kirche arbeitet für das persönliche Heil jedes einzelnen. Das Christentum ist von dem unendlichen Wert jeder einzelnen menschlichen Seele überzeugt, weil Christus für jede einzelne Seele am Kreuz gelitten hat.» Deshalb müsse die Kirche auf jeden einzelnen einen totalen Anspruch erheben, jeder einzelne müsse sich ganz mit Haut und Haar für Gott entscheiden, dem als einziger Wirklichkeit das Attribut total zukomme. Der Christ könne neben dem Einzigen keine anderen Götter haben, denn «das einzige dem Menschen würdige Ziel ist der einzige Gott».
    «Wie weit ist doch diese Lehre der Totalität von jener des Hakenkreuzes entfernt?» rief der Gutachter aus. Für ihn betraf «der totalitäre Begriff der Hitlerlehre» insbesondere den Staat: «Es ist der Staat, dem die Totalität des Menschen dienen muß; er muß das Symbol für alles sein. Aber auf diese Weise werden zugunsten des
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