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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma
Autoren: Stefan Keller
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Richtig, ich war nun eine echte Vorzimmerdame.
    Der Raum war durch einen Durchgang mit Herrn
Nadas Büro verbunden, hatte aber auch einen eigenen Eingang vom Flur aus. Mein
Blick fiel auf zwei aneinandergeschobene Schreibtische, auf denen jeweils ein
Computerbildschirm, ein großes Kalenderblatt im Plastikmantel, ein
Taschenrechner mit LED -Anzeige und eingelegter
Papierrolle, ein Locher und eine Stiftbox standen. In einer Ecke surrte ein
Faxgerät, das den vorhandenen Sauerstoff innerhalb weniger Stunden sicher
komplett aufzehren würde. Daneben stand ein Ficus im Granulatbad, und natürlich
fehlte auch die röchelnde braune Filterkaffeemaschine nicht. Sie stand auf dem
Kühlschrank, in dem die Redakteure ihre Snacks aufbewahrten. Gekrönt wurde das
Ambiente durch einen braunen Teppich, der über genügend elektrostatische Ladung
verfügte, um einen beim nächsten Kontakt mit einem der vorhandenen Geräte oder
einem Händeschütteln rückwärts aus dem Fenster zu katapultieren. Einzig ein
riesiges Poster von King Elvis und ein abgeschlossener spindartiger Schrank
zwischen den Aktenschränken stachen aus der Standardeinrichtung hervor.
    An einem der beiden Tische saß eine kleine,
untersetzte Frau Mitte vierzig mit kurzen pechschwarzen Haaren und runden
Augen.
    »Ahhh!«, sagte sie, »Ih chabe shon geört, dass
eine Mann kommt alse die neue Esekretärin. Aber du biss eso egroß. Mein Gott.«
Dabei betonte sie »egroß« und »Gott«, indem sie die beiden Wörter beinahe eine
Oktave höher intonierte und zugleich das Gesicht verzog, als hätte sie gerade
etwas sehr Ekelhaftes gesehen, oder etwas sehr Geiles – aber das ist ja
meist ein und dasselbe. »Ih bin Inés, aus Valencia. Wir arweite jez ezusamme.
Hnnn.«
    »Was machen wir hier eigentlich genau? Ich meine,
woraus besteht die Arbeit?«, fragte ich.
    »Oche, iss ganss einfach. Hnnn.« Inés stand auf
und schlenderte gemütlich zu dem Spind hinüber. »Wia musse nur Gehälta von die
Redakteurre buchen. Hnnn.«
    Dieses »Hnnn« ging mir jetzt schon gewaltig auf
den Sack.
    Sie schloss den Spind auf. Auf der rechten Seite
baumelte an einem Kleiderbügel ein paillettenbesetzter weißer Einteiler mit
ausladendem Stehkragen. Ganz eindeutig war das ein Elvis-Kostüm. Auf der oberen
Ablage konnte ich sonst nur Kleinkram wie ein paar Teepackungen, Zuckerwürfel
und einige Plüschtiere ausmachen. Inés kramte nach einer bestimmten Sorte
Tee.
    »Du bist Elvis-Fan, was?«, fragte ich.
    »Hnnn«, sagte Inés, kippte zurück auf die
Fußballen, schloss den Spind ab, schlenderte zum Tisch und setzte sich mir
gegenüber hin. »Ih trete ejedäs eJarr auf, benn die Beinachsefeier is. In
Elvis-Köstum. Hnnn.«
    »Ich pack’s nicht«, rief ich. »Du willst mir also
erzählen, dass du bei der Weihnachtsfeier vor der versammelten Belegschaft den
hier machst?« Ich sprang auf, stellte mich glucksend in die Mitte des Büros und
fing an, das Becken in ausladenden, immer breiter werdenden Kreisen
herumzuwirbeln.
    »Du bisse essu esteif, hnn.« Inés lachte.
    Kurz darauf hörte ich einen lauten Schlag,
gefolgt von einem spürbar eiskalten Luftzug am Hinterkopf.
    » Qué pasa aqui? Weh
essin Esieh? Was emacken Esieh ier? Coño! «
    Hinter mir war die Durchgangstür zum Büro des
Chefredakteurs aufgeflogen, und im Türrahmen stand ein schmerbäuchiger Mann um
die fünfzig mit winzigen, in den Kopf gedrückten schwarzen Augen hinter einer
Brille mit Goldrahmen. Der Mund sah aus wie ein Strich, den ihm jemand mit einer
Klinge ins Gesicht geschnitten hatte, war aber dennoch groß genug, um zwei
erstklassigen Schaumecken ein Zuhause zu geben. Die Haare waren etwas länger,
angegraut und in der Konsistenz sehr drahtig, so wie diese Schwämme, mit denen
man Speisereste aus Töpfen kratzt. In der einen Hand hielt er einen Stapel
Papier, mit der anderen gestikulierte er wild durch die Luft, weshalb mein Blick
prompt auf die riesigen Schweißflecke unter seinen Achseln fiel.
    »Hola, Señor Nada« ,
sagte Inés wie eine geprügelte Hündin und rollte mit dem Stuhl sofort wieder an
ihren Schreibtisch heran.
    » Soy Steve, la nueva
secretaria  – ich bin Steve, die neue Sekretärin«, antwortete ich
und hoffte damit das Eis zu brechen.
    »Komme Esieh in mein Buro, jezzz!«, brüllte Herr
Nada.
    Ich folgte ihm wortlos.
    Er schloss die Tür zum Vorzimmer und setzte sich
hinter seinen Schreibtisch. »Höre Esieh, wi chaben ein Prowlem.« Herr Nadas
Stimme wurde leiser. »Die espanisse Redacionn wird
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