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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma
Autoren: Stefan Keller
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spanischer Opa.
    »Oye, aquí está el chico
preguntando por el trabajo« , rief sie in den Raum, was so viel
bedeutete wie: Die neue Sekretärin ist da.
    »Gut«, sagte der Opa und winkte ab.
    Ein letzter Blick. Sie lächelte und ging. Nun
musste ich schnell das Programm wechseln. Vom butterweichen, sabbernden Trottel
zur knallharten Sekretärin, die unbedingt den Job wollte.
    »Jaaa, Herr Nada«, rief ich möglichst kompetent
vom Türrahmen zu ihm hinüber, bereit, im Stechschritt auf den Opa loszustürmen
und ihm die Hand zu schütteln.
    »Mada!«, unterbrach er mich sofort.
    »Also, äh, Herr Nada, ich war heute beim
Arbeitsamt, und da …«
    »Mada! Ih cheisse Mada!«
    »Ich verstehe nicht ganz. Ich sollte mit einem
gewissen Herrn Nada … äh Mada … » Bemüht unauffällig, damit der Alte
es nicht als Affront werten konnte, bog ich den Oberkörper nach hinten, um aus
den Augenwinkeln noch mal das Schild zu lesen, das vor der Tür angebracht war.
Da stand eindeutig »Nada«. Entweder litt der Mann an Demenz, oder ich hatte
seinen Namen falsch ausgesprochen, oder das »N« war ein Druckfehler. Die hübsche
Spanierin hatte schließlich auch ganz normal reagiert, als ich sie nach Herrn
Nada gefragt hatte. Ich entschied schnell: Der Alte war dement.
    »Nun, Herr Nada. Ich wollte mich bewerben.«
    »Mada! Ih cheisse Mada. Komme Esieh cherrein uns
esließen Esieh die Ture.«
    Ich tat wie befohlen und setzte mich. »Okay,
angenommen Sie sind nicht Herr Nada, sondern Herr Mada, richtig?«, sagte ich im
Tonfall eines Fernsehseelsorgers.
    »Richtig!«, bestätigte er.
    »Was ist dann mit Herrn Nada passiert, und warum
sitzen Sie in seinem Büro, Herr Mada?«
    »Nada isst nisst da!«
    »Gut, Sie sind Mada und da. Wann ist denn der
Nada da?«
    Ich machte mich auf alles gefasst. Eigentlich
erwartete ich, dass der Mann kurz mit dem Kopf unter dem Tisch verschwinden, mit
einem leicht veränderten Gesichtsausdruck und einem kleinen, bunten Hut wieder
hochschnellen und sagen würde: »So, Nada isst jez da!«
    Stattdessen sagte er: »Sehe Esieh, ih bin Mada.
Nada isst nisst da. Solange Nada nisst da, bin ih, Mada, Nadas
Estellverrtreta.«
    Mir wurde es langsam zu bunt. Was sollte das? Ich
wollte nur einen einfachen Job als Sekretärin. Das war doch wirklich nicht zu
viel verlangt. Wenn der Kerl hier mir blöd kommen wollte, bitte. Das konnte ich
auch.
    »Gut, Herr Mada, wenn Sie nicht Herr Nada sind,
dann gehen wir doch mal in die Bar da. Und da oben auf Ihrem Kopf, da war doch
ma Haar da.«
    Der Spanier sah nach unten, nahm seine Brille ab,
kniff die Lider zu und rieb eine Weile mit Daumen und Zeigefinger darüber. Dann
fragte er sehr leise und leicht gequält: »Was wolle Esieh?«
    »Ich will doch nur den Job als Sekretärin!«,
sagte ich.
    Er hob langsam den Kopf, öffnete die Augen, die
sich im Bruchteil einer Sekunde scharf stellen mussten, nahm die Brille an
beiden Bügeln und setzte sie sich akkurat auf die Nase. » Bueno pues , Esieh chaben ihn.«
    »Danke, Herr Mada!«
    »De nada« , sagte Herr
Mada.
    Bereits am nächsten Morgen war mein erster
Arbeitstag, und als ich im Flur vor dem Spiegel meine Garderobe überprüfte,
musste ich wieder an die hübsche Spanierin denken. Wie sie da mit dem riesigen
Kopfhörer in der Tür gestanden und mich angebrüllt hatte. Oder wie anmutig und
sexy sie vor mir zu Herrn Nadas Büro gelaufen war. In der Erinnerung erschien
sie mir so makellos, dass ich mir plötzlich nicht mehr sicher war, was davon ein
Trugbild, ein Wunschkonzert und was Realität war. Doch warum sollte ich mir
irgendeine Frau schönreden? Aus meiner Sicht hatte ich eine solide Beziehung.
Immerhin solide, aber eben auch nur noch solide.
    Dann dachte ich kurz an Herrn Mada und daran, wie
er mich nach unserem bizarren Gespräch überraschend umarmt hatte, wobei ich die
vielen braunen Altersflecken auf seiner Glatze hatte sehen können.
    Mein Mitbewohner Jörg, der mich von seinem
Schreibtisch aus durch den Türspalt bei meinem Kampf mit der Krawatte
beobachtete, rief: »Man muss auch mal über den Kampf zum Spiel finden. Das
Unmögliche möglich zu machen wird ein Ding der Unmöglichkeit.«
    »Ich hab vom Feeling her ein gutes Gefühl«,
antwortete ich nur und zog die Tür hinter mir zu.
    Kurz darauf irrte ich erneut im zwanzigsten Stock
der riesigen Radiostation durch die Gänge, doch diesmal fand ich Herrn Nadas
Büro, ohne jemanden fragen zu müssen. Die Tür zum Vorzimmer, meinem neuen
Arbeitsplatz, stand offen.
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