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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma
Autoren: Stefan Keller
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eschlißen bald. Noc drrei
Monate, dann isst geslossen. Bitte esreiwe Esieh die Eseugnisse der
Mitarweita.«
    »Bitte?«, fragte ich verwirrt. »Das ist mein
erster Tag. Ich kenne hier doch überhaupt niemanden.«
    Herr Nada machte eine abfällige Handbewegung.
»Isst egal. Esreiwe Esieh drei, vier Essäze. Fertik«, schlug er vor und widmete
sich demonstrativ einem Aktenordner.
    Wie angewurzelt blieb ich vor Nadas Schreibtisch
stehen.
    »Isst noch was?«, fragte er mit einem kurzen
Blick zu mir, »Esieh könne gehe.«
    »Gut«, erwiderte ich und verließ nachdenklich das
Büro. Drei Monate also. Dann war Schluss. Das hatte mir vorher keiner gesagt. So
lange wollte ich sowieso nicht bleiben, aber was würden die Mitarbeiter dazu
sagen?
    Im Vorzimmer sah Inés mich erwartungsvoll an,
weshalb ich ihr meine verzwickte Lage erklärte. »Wie kann er das emachen, du
kennst die Mitaweita nisst, und viele arweite seit funfezehn Jarre hier, hnnn.«
Sie faltete die Hände und schaute eindringlich zur Decke. »Okay, ih chabe eine
Idee. Du esreiwst alle Mitaweita de espanisse Redacionn an und esagst, dass
esieh esollen eselbst esreiwen ihre Eseugniss.«
    Das überzeugte mich. Ich formulierte also eine
E-Mail an alle fünfundzwanzig betroffenen Mitarbeiter, sie mögen sich ihr
Arbeitszeugnis bitte selbst schreiben und es mir anschließend übergeben. Ich
würde dann dafür sorgen, dass Herr Nada seinen Otto daruntersetzte.
    Kurz darauf kam die junge Spanierin herein, um
sich einen Kaffee zu holen.
    »Ah, sie haben dich also wirklich genommen?«,
sagte sie, als sie mich sah. »Ich bin übrigens Lucia.«
    Sie war noch hübscher als in meiner Erinnerung.
Das war besorgniserregend, denn normalerweise waren die Frauen in meiner
Erinnerung den Originalen deutlich überlegen.
    »Steve«, sagte ich und wollte gleich ausholen, um
ihr zu erzählen, dass ich ja nur das Geld brauchte und eigentlich gerade von der
Uni käme, vermutlich also eine ganz gute Partie sei, irgendwann. Doch warum
sollte ich mich für den Job rechtfertigen oder gar vor ihr glänzen wollen? Wem
nützte der Affentanz? Ich konnte getrost das bleiben, was ich war: die einzige
männliche Sekretärin im ganzen Sender. Und eine verdammt gute dazu.
    »Ach, übrigens, wo du gerade da bist, könntest du
dir vielleicht selbst ein Zeugnis schreiben? Señor Nada hat es mir aufgetragen.«
Ich versuchte möglichst nüchtern und dienstbeflissen zu klingen.
    Lucia stockte. »Äh … okay, mache ich«, sagte
sie überrascht, da ich auf ihr Schäkern nicht einging, und verließ das Büro mit
einem verdutzten Blick.
    Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich
gepunktet hatte.
    »Esieh isst hübsch, hnnn?«, fragte Inés grinsend,
nachdem Lucia aus der Tür verschwunden war.
    »Ja, das ist sie«, gab ich zu. Wie hatte sie nur
gemerkt, dass mir etwas an Lucia lag?
    »Vergiss esieh!«, schoss meine Kollegin hart,
aber herzlos hinterher und tippte weiter Gehälter in den PC . »Alle finden Lucia etoll. Das isst nur ein Nebenjob. Esieh
estudiert an der Uni«, fügte Inés erklärend hinzu, ohne den Blick vom
Blickschirm abzuwenden. »Aber du ekommst essu espät. Esieh chat einen Freund. Er
leitet eine große Autohaus.«
    »Na, dann ist ja gut«, schnaufte ich.
    Gar nichts war gut, denn Lucia ging mir nicht
mehr aus dem Kopf – Autohaus hin oder her. Und es wurde täglich
schlimmer.
    In den folgenden Wochen buchte ich Gehälter, bis
mir die Eingabemasken zu den Ohren rauskamen, während Inés mich ständig wegen
ihres missratenen, siebzehn Jahre alten Sohnes Denis um Rat fragte. Einzig die
Hoffnung, Lucia würde mal wieder vorbeischauen, hielt mich am Leben. Nach und
nach flatterten auch die ersten Zeugnisse auf meinen Schreibtisch, die meisten
waren drei bis vier Seiten lang. Ich sammelte sie, bis ich einen kleinen Stoß
zusammenhatte, dann klopfte ich zufrieden an Herrn Nadas Tür und überreichte sie
ihm feierlich. Er war sichtlich überrascht, dass ich in so kurzer Zeit so viel
geschafft hatte, und nahm sie wortlos entgegen. Ich empfahl mich höflich,
schloss die Tür und setzte mich wieder an meinen Platz.
    Ein paar Minuten später drangen aus Herrn Nadas
Büro die seltsamsten Laute zu uns ins Vorzimmer. »Ohooo« oder »Joerrr« oder
»Nooo«, manchmal sogar »Tsss« und »Huiii«.
    Inés sah mich orakelhaft an. Sie schien etwas zu
ahnen.
    Dann flog die Tür zu Herrn Nadas Büro wie in
einem Saloon auf, und er stand breitbeinig im Türrahmen, in der einen Hand einen
roten Edding, in
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