Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Panic

Panic

Titel: Panic
Autoren: Mark T. Sullivan
Vom Netzwerk:
miteinander hatten. Ich bitte dich nur, mit mir Frieden zu schließen und die Kinder mit mir zu teilen. Ihnen zuliebe und mir zuliebe. Ich brauche sie, Kevin. Ich brauche sie, um wieder heil zu werden.«
    Lange sagte er nichts. Die Tränen wollten nicht versiegen. Im sicheren Gefühl, dass er mir die Zustimmung verweigern und ich Emily und Patrick nie mehr als Teil meines Lebens betrachten würde, ließ ich resigniert den Kopf hängen. Da spürte ich, wie sein Finger mir die Tränen von der Wange wischte. »So hat Yastrzemski immer die Bälle vom Grünen Monster gefegt«, sagte er.
    Ich konnte nicht aufhören zu weinen.
    Wir redeten noch eine halbe Stunde weiter. Am Ende stimmte ich einem psychologischen Gutachten zu. Kevin erklärte sich einverstanden, dass ich die Kinder öfter sehen durfte. Jetzt habe ich sie an zwei Wochenenden im Monat und hin und wieder auch am Montag. Es ist ein Anfang.
     
    Der Bug unseres Kanus fuhr auf Grund, Kiesel, die mit der Schneeschmelze den Fluss heruntergespült worden waren. Patrick sprang aus dem Boot und zerrte das Kanu ans Ufer. Die Begräbnisinsel ist über einen Kilometer lang und etwa siebenhundert Meter breit. Als Kind war ich gern hier, weil der Uferstreifen mit Gras und vielen hundert Papierbirken bewachsen ist. Ich führte meine Kinder auf den Spuren des Wilds, die das Wiesengras durchkreuzten, nach Süden. Die Grashalme waren noch mit Reif überzogen und glitzerten in der Morgensonne. Emily entdeckte ein Vogelnest zwischen den niedrigen Zweigen einer Birke, auf denen sich erste Knospen zeigten, und wiegte den Schatz in ihren Armen.
    Sie und Patrick liefen voran, auf den südlichsten Punkt der Insel zu, wo sich die Gräber befinden. Ich fühlte mich seltsam gereinigt, wie schon lange nicht mehr, auch wenn ich immer wieder Ryans Tod vor Augen habe und was ich tat, nachdem ich ihn umgebracht hatte.
    Ich lag lange Zeit am Ufer des Dream River, nachdem ich ihm den Schädel eingeschlagen hatte, und spürte dabei Ryans Gegenwart neben mir, spürte, wie der Fluss ihn hinüber ans andere Ufer reißen wollte. Als ich endlich wieder genügend Kraft hatte, richtete ich mich auf und verband meine Wunde. Dann zog ich ihn aus dem Wasser und starrte auf sein friedliches Gesicht. Wie konnte ein so guter Mensch nur so abstürzen?
    Ich musste es wissen. Ich legte meine Lippen auf die seinen und inhalierte tief Ryans verbliebenen Atem. Dann schloss ich die Augen und bettete seinen Kopf in meinen Schoß. Da hörte ich im Geiste eine weibliche Stimme singen, spürte ihre Wärme um mich, spürte, wie sie mich wiegte, bis ein Teil von mir in ihr war. Erinnerungen blitzten auf aus den glücklichen Tagen, die er mit ihr verlebt hatte. Kurz bevor der dunkle Teil von Ryans Welt in mich drang, spürte ich eine Schwingung, die ich noch nicht kannte, und ihre Dominanz in Ryan erschreckte mich so, dass ich zitternd den Atem ausstieß.
    Ich zerrte seine Leiche die Böschung hinauf, bedeckte sie mit Schnee und markierte die Stelle mit seinem Bogen, damit die Mounties ihn fanden, sofern die Wölfe ihnen nicht zuvorkamen. Danach war ich schweißgebadet, meine Schulter schmerzte, und ich hatte das dringende Bedürfnis, mich zu waschen.
    Ich machte Feuer unweit der Leiche, zog mich aus und ging hinunter ans Wasser. Das eisige Wasser auf der Haut entlockte mir einen Schrei, aber ich zwang mich trotzdem, hineinzugehen, spürte, wie es mich betäubte, meine Wahrnehmung schärfte und mich mit der Person aussöhnte, die ich war, bevor ich Ryan umgebracht hatte. Als ich wieder am Feuer saß, spürte ich die Nadelstiche in der erwachenden Haut. Dieses Gefühl hat mich seither nicht verlassen. Und das wird es wohl auch in Zukunft nicht.
    Der Psychologin verriet ich nicht, was nach Ryans Tod passiert war. Außerdem erwähnte ich das Thema Große Kraft oder Micmac-Legenden nur nebenbei. Sie war eine dieser mageren Frauen um die dreißig, mit einer Vorliebe für modische Kleidung und offene Sportwagen. Was hätte ich ihr sagen sollen? Dass ich angesichts der schrecklichen Vorfälle im Metcalfe-Revier an unsichtbare Welten glaubte? Dass ich Einblick hatte in eine Weltsicht, die bereits vor vielen hundert Jahren entstanden war, von Eingeborenen geschaffen, die in den Wäldern des Nordens lebten? Sie hätte allenfalls in ihr Gutachten geschrieben, man möge mich von den Kindern fern halten, und mir dringend eine jahrelange Therapie empfohlen.
    Also sagte ich weder etwas über den seltsamen Schnee noch die Blitze, die mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher