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Panic

Panic

Titel: Panic
Autoren: Mark T. Sullivan
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zurückzukehren. Und doch befällt mich jedes Mal die Angst, wenn ich das Kanu besteige und spüre, wie die Gewalt des Wassers durch das Paddel bis hinauf in meine noch nicht ganz ausgeheilte Schulter kriecht, dass es meine letzte Überfahrt sein könnte. Ich weiß ja jetzt, dass unser Leben auf dieser Welt am seidenen Faden hängt.
    Gestern nahm ich Emily und Patrick mit zu ihren Großeltern. Es war einer dieser Apriltage in Maine, wenn der frostige, klare Morgen einem Tag weicht, der schon mit milden Temperaturen lockt. Die Natur, die uns mit dem ersten warmen Lufthauch zu verführen sucht.
    Nebel lag über dem Ufer. Während der Fahrt hatten die Kinder gegähnt, bis wir den Fluss erreichten. Doch kaum am Wasser, regten sich ihre Lebensgeister. Patrick half mir, das Kanu vom Wagendach zu heben. Er ist schon fast neun, und ich sehe jeden Tag mehr meinen Vater in ihm.
    Wir stießen uns vom Ufer ab und wurden augenblicklich in die Kraft des Penobscot gesogen. Ich sah mich als Krähe, die auf flockigem Schnee schwebt, und ließ das Boot frei in der Strömung treiben, bis wir abdrehen mussten. Es gab einen Moment, in dem das weiße Wasser so heftig um uns toste, dass Emily und Patrick Angst bekamen und sich an mich klammerten. Emily wollte nach Hause, Patrick versuchte, tapfer zu sein, und schwieg. Ich lächelte nur und riet ihnen, nicht nach unten zu sehen, da dies ein Ort sei, den sie noch nicht zu verstehen brauchten. Sie sollten sich lieber auf die Insel konzentrieren.
    Beruhigt drehten sie sich um und blickten so erwartungsvoll dem näher rückenden Ufer entgegen, dass ich fast vor Freude zerfloss, sie wieder bei mir zu wissen.
    Noch etliche Monate nach meiner Rückkehr vom Metcalfe Revier fürchtete ich, dergleichen Momente nie mehr mit ihnen teilen zu können, besonders nach dem Erscheinen von Kurants melodramatischem Bericht über die Morde. Er betitelte den Artikel als »Die Rache des Jägers« und reduzierte die komplexen Kräfte, die entlang der Grenze zwischen British Columbia und Alberta am Werk gewesen waren, stark vereinfachend auf einen Kampf zwischen Gut und Böse.
    In Kurants Augen waren die Opfer »der rückständigen Barbarei erlegen, auf der die moderne Jagdkultur gründe«. Vor allem Cantrell, der sich im Januar mit einem Gewehrschuss das Leben genommen hatte.
    Er brachte sogar ein Zitat von Lenore, das besagte, sie und Earl würden nie mehr auf die Jagd gehen. Der Geschäftsmann würde sein Leben lang an einen Rollstuhl gefesselt und auf die Fürsorge seiner Frau angewiesen sein. Unweigerlich fragte ich mich, ob Lenore nicht insgeheim der Meinung war, dass Earl in diesem Zustand – unfähig, den Frauen nachzulaufen und sich mit ihnen zu brüsten – nicht ohnehin die größte Trophäe war, die sie je eingesackt hatte.
    Griff und Arnie, so Kurant, befürworteten die Jagd nach wie vor, waren sich aber nicht sicher, ob sie kommenden Herbst wieder in den Wald gehen würden. Phil dagegen lehnte jedes Gespräch mit Kurant kategorisch ab, was nicht weiter erstaunlich war. Nelson und Theresa versuchten einen neuen Pachtvertrag auszuhandeln, aber die Metcalfe-Erben sträubten sich.
    Dem Autor zufolge habe Ryan sich an einem System rächen wollen, das die Rechte des Jägers über die Rechte seiner Frau gestellt hätte. Nur habe Ryan sich der Tatsache verschlossen, dass der Tod seiner Frau die Tradition der Jagd
ad absurdum
führte. Stattdessen habe der Professor sich immer weiter in einen primitiven, raubtierhaften Zustand hineingesteigert und dabei den Verstand verloren.
    Wie erwartet wies Kurant jegliche Verantwortung von sich und verschwieg, dass er es gewesen war, der Ryans mörderischen Hass gen Norden gelenkt hatte. Außerdem vermied er die Frage, wann ihm der Verdacht gekommen sei, Ryan könne der Killer sein. Er würde dieses Wissen ein Leben lang mit sich herumschleppen müssen.
    Ich wurde als die Heldin beschrieben, deren eiserne Entschlossenheit die Gruppe der Jäger gerettet hatte. Allerdings, so Kurant, müsse man sich fragen, ob ich in meinem Bemühen, Ryan umzubringen, nicht doch die Grenze zwischen Notwehr und Totschlag überschritten hätte. Ich hätte Ryan verfolgt und erledigt, als ich bei den anderen im Camp hätte bleiben können. In der Tat waren einige Mitglieder in der Mannschaft der Canadian Mounted Police, die vier Tage, nachdem ich Ryan getötet hatte, ins Lager gekommen war, geradezu versessen darauf, mich unter Anklage zu stellen. Doch der kanadische Richter, der mit dem Fall
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