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Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)

Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)

Titel: Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Scott
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75   Tage
     
     
    Liebe Julia,
    Stell Dir vor, ich soll ein Tagebuch über »meine Reise« anfangen. Genial, was? Du würdest Dich schlapplachen.
     
    Liebes Tagebuch,
    während ich auf diesem wilden Meer, das sich Leben nennt, dahintreibe, denke ich voll Dankbarkeit an ein wunderbares Gedicht, das ich vor Kurzem gehört habe und dessen Schönheit mir die Tränen in die Augen trieb. Heute weiß ich, dass jeder Tag ein kostbares Geschenk ist   …
     
    Geht’s noch.
     
    Aber jedenfalls, während Dr.   Marks (Schnauzer von der schlimmsten Sorte, lang und struppig und – würg! – voller Essensreste) einen Vortrag darüber hält, dass jeder Mensch einen Ort braucht, an dem er seine »Erfahrungen« mitteilen kann, schreibe ich Dir.
     
    Das soll nicht heißen, dass hier alles total sinnlos war. Klar, Pinewood ist ein »Teenie-Therapie-Zentrum« und allein die Tatsache, dass man hier sein muss, hat schonwas Peinliches, aber trotzdem war nicht alles nur Schrott. Auch wenn es mir ewig nachhängen wird. So wie die vielen anderen Anführungszeichen, die ich jetzt mit mir herumschleppe   …
    Ich dachte immer, ich hätte Dir alles erzählt, und trotzdem gibt es Dinge, die ich Dir hätte sagen müssen, die ich aber nie ausgesprochen habe. Zum Beispiel, dass ich Deine Sonnenbrille verloren hatte. Die, auf die Du so stolz warst. Und ich hätte mich jedes Mal entschuldigen müssen, wenn ich Dir über die Schuhe gekotzt habe, besonders das eine Mal, als ich Dir Deinen nagelneuen Rock ruiniert habe, den mit der Perlenstickerei. Ich hätte mich für eine ganze Menge entschuldigen müssen.
    Es tut mir leid, Julia. Alles tut mir leid.
    Weißt Du, dass ich vor vierundsiebzig Tagen zum letzten Mal getrunken habe? Es fehlt mir, ehrlich gesagt. Ich sehne mich nach dem guten Gefühl, das ich dabei hatte, weil ich dann vergessen konnte, wie groß und dumm ich mir immer vorkam, diesen Moment, wenn alles verschwimmt und die scharfen Kanten verschwinden. Ich träume sogar davon. Aber das ist angeblich normal. Ich darf trotzdem nach Hause. Weil es mir »besser« geht, verstehst Du, und die Welt auf mich wartet.
    Dr.   Marks hat nur gefragt, ob ich okay bin. Er ist der letzte Idiot. Ich weiß nicht, wie er dazu kommt, die Gruppentherapie zu leiten. Du solltest mal hören, wie er redet, Julia. Er kann nicht mal meinen Namen richtig aussprechen, so wie normale Leute. Amy. Was ist daranso schwierig? Aber Dr.   Marks sagt immer Amiiiiiiieee, als ob das »i« ein Buchstabe wäre, von dem er gar nicht genug kriegen kann.
    Ich denke die ganze Zeit an Dich, Julia. Ich erzähle allen in der Gruppe, wie Du hier hereinfegen und den Laden aufmischen würdest, ein Engel mit Kickbox-Flügeln, aber in Wahrheit frage ich mich, ob Dir kalt ist oder ob Du Deinen lila Pulli trägst, den Du so geliebt hast, und ob Deine Mom irgendwo in der Nähe ist und herummeckert, weil der Ausschnitt zu tief ist.
    Jetzt, in diesem Moment, stelle ich mir vor, wie Du einen Deiner kitschigen Lovesongs singst, auf die Du so wild warst, ein glückliches Lächeln im Gesicht. Lächelst Du immer noch so? Ich habe so viele Fragen, Julia. Ob Du unsere Autotrips vermisst, zum Beispiel. Weißt Du noch, wie Du über die Millertown-Brücke gedüst bist und wir abwechselnd Eis gegessen haben? Du bist nie aus dem Laden rausgekommen, ohne einen Riesenbecher Eis mitgehen zu lassen. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Dich lachen, den Löffel in der Hand. Ich habe seit Monaten kein Eis mehr gegessen.
    In Pinewood hab ich viel geweint, und immer deinetwegen. Das wird Dir sicher komisch vorkommen, weil ich früher überhaupt nie geweint habe. Auch wenn ich es manchmal gern getan hätte, das weißt Du, oder? Aber ich konnte nicht. Weil ich wusste, dass ich dann nie wieder aufhören würde.
    Eigentlich müsste ich froh sein, dass ich morgen hier rausdarf. Bin ich ja auch, einerseits. Aber der Haken ist,dass ich immer dran denken muss, wer auf mich wartet, wenn ich nach Hause komme, und wen ich sehen will   … und da ist niemand. Du bist nicht da.
    Ich vermisse Dich, Julia.

1
     
     
    Der Entlassungstag kam wie versprochen und ich packte am Morgen meine Sachen zusammen. Ich hatte keine Zimmergenossin und auch sonst niemanden, mit dem ich wirklich geredet habe, sodass ich schnell fertig war. (Die Gruppentherapie hat meinen Gesprächsbedarf mehr als abgedeckt.)
    Und das war’s dann. Lebwohl, Pinewood, danke für das ganze Schrottessen und die tollen »Selbsterfahrungsgruppen«. Kann
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