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Pan Tau

Pan Tau

Titel: Pan Tau
Autoren: Ota Hofman
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leuchteten auf. Eine Leuchttafel zeigte blinkend die Zahl 12136.
    »Zwölftausendeinhundertsechsunddreißig, Schlüssel«, sagte Waldemar. Er trug einen funkelnagelneuen Anzug. Mit einer orangeroten Weste. Auf dem Kopf saß die Melone. Mit müder Stimme fragte er:
    »Wann haben Sie die Schlüssel verloren?«
    »Gestern...« Der ältere Herr bemühte sich um Genauigkeit. »Im Trolleybus Nummer zweihundertfünfunddreißig.«
    »Das habe ich nicht gefragt«, sagte Herr Waldemar. »Beantworten Sie nur meine Fragen. Hingen die Schlüssel an einem Ring?«
    Der Herr nickte.
    Wieder drückte Waldemar auf die Tasten. Auf der Leuchttafel erschien eine neue Zahl: 4897.
    »Viertausendachthundertsiebenundneunzig, Schlüssel am Ring. Werden Sie Ihre Schlüssel erkennen?«
    »Unter viertausend anderen Schlüsseln?«
    »Und noch weiteren achthundertsiebenundneunzig... Ja? Nein? Dacht’ ich mir’s doch! Essen Sie gerne Tomatensoße?«
    »Nein. Aber ich verstehe nicht...«
    »Verstehen müssen Sie nichts. Ihre Frau heißt wie?«
    »Marie.«
    »M.a.r.i.e. Haben Sie Kinder?«
    »Drei... Es waren auch drei Schlüssel... Am Anhänger war ein Herzchen und ein vierblättriges Kleeblatt...«
    Herr Waldemar drückte auf eine weitere Taste. Schlüssel fielen auf den Tisch. Ein Rohr, wie man es von den Rohrpostanlagen her kennt, hatte sie ausgespuckt. Drei Schlüssel mit Herzchen und vierblättrigem Kleeblatt am Anhänger.
    »Da sind ja meine Schlüssel!« flüsterte beeindruckt der ältere Herr. »Die Technik bringt Wunder fertig!«
    Er unterschrieb den Ausgabeschein und taumelte zur Tür hinaus. Wie in einem Traum hörte er hinter sich Herrn Waldemars Stimme, der den nächsten Fall erledigte.
    »Ein Damenhandschuh... Hand hier herlegen... Siebentausendsechshundertzweiundachtzig, Damenhandschuh... Gehen Sie gern ins Kino?«
    »Ja«, sagte Vivian und legte die Hand in eine handförmige Öffnung. »Lieblingsfarbe?«
    »Rot... Aber der Handschuh war weiß...«
    Herr Waldemar drückte auf eine rote Taste und griff unauffällig an seine Melone und machte die Zaubergeste. In dem Gewirr der Rohrleitungen entlang den Wänden klingelte und schepperte es. Ein Etui mit einem weißen Handschuh fiel auf den Tisch.
    »Ehrlich währt am längsten«, verkündete der Lautsprecher voll Freude. »Die Unterschrift leserlich. Hunde an die Leine. Der Nächste! Verlust? Fundsache? Wann? Wo?«
    »Verlust. Schon lange her«, sagte W. Viola. »Als Bub hab ich etwas in der Höhle unterhalb der Krummholzfichte liegen gelassen. Unterm dritten Stein...«
    »Unterm dritten Stein«, wiederholte Herr Waldemar mit Interesse. Er drückte auf drei Tasten. »Mögen Sie Makkaroni?«
    »Makkaroni vertrage ich nicht. Kragenweite Nummer vierzig. In Paris pflege ich bei Maxim zu essen, allerdings, was die Austern betrifft, nur Maison Prunier Avenue Victor Hugo. Den besten Käse kriegt man bei Androuet.« Viola redete und redete, damit Claudia sich indessen unbemerkt ans Gitter heranmachen konnte. »Austern ißt man natürlich jetzt im Sommer nicht. Wann man sie ißt? Das ist ganz einfach, in allen Monaten mit R: Januar, Februar, März, April, September, Oktober, November, Dezember. Nicht aber in den Monaten ohne R: Mai, Juni, Juli, August...«
    Das Aufheulen der Alarmsirene unterbrach seinen Redefluß. An den Wänden leuchteten Alarmlichter auf. Herr Waldemar lächelte. Die Sicherheitsanlage funktioniert ausgezeichnet.
    »Du bist sehr neugierig, Kind!« Er erhob sich, um Claudia aus dem Fundbüro hinauszugeleiten. »Haben wir uns nicht schon mal gesehen?«
    Er kehrte zurück.
    »Interessant«, sagte er zu W. Viola. »Sie haben mir geradezu Appetit auf Austern gemacht. Allerdings in der Hitze, so behaupteten Sie...«
    Er drückte auf eine Taste.
    »Unterm dritten Stein...«
    Er bückte sich unters Pult. Wie zufällig trommelte er auf die Melone und machte die Zaubergeste. Es klingelte und schepperte in den Rohrleitungen. Die Maschine begann zu arbeiten, diesmal aber brauchte sie länger als vorher für den Handschuh. Die Greifer irrten durchs Lager und streiften wie ratlos über die Fundsachen. Erst nach einer Minute leuchtete die Lampe auf. Etwas sauste durch die Röhre. Auf den Tisch fiel ein verrostetes Messer mit zwei Klingen und ein vergilbtes Blatt Papier, das wohl einmal aus einem Schulheft herausgerissen worden war.
    »Tatsächlich, mein Taschenmesser«, flüsterte hingerissen Viola. »In den Griff hatte ich mein Monogramm W. V. eingeritzt.«
    Er sah auf das vergilbte Blatt
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