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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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kristallenen Römer. Er roch an dem frisch entkorkten Krug, machte den Mund auf und die Augen zu und schenkte ein. Ein Sonnenpfeil schoß durch das Glas und vergoldete den blonden, klaren Wein. Als Pallieter ihn in langsamen, kleinen Zügen ausgeschlürft hatte, klopfte er mit dem Daumennagel an das Kristall, und ein voller, runder Klang sprang in die Luft und summte sich langsam aus. Charlot schenkte auch für sich ein, und Pallieter sah erst jetzt die Tintenflecken auf ihrem Gesicht.
    »Warum biste denn so schwarz?«
    »Ei,« sagte Charlot, »ich bin am Briefschreiben, daß sie zur Kirmes kommen sollen. Aber ich hab gedacht,« fügte sie schnell hinzu, »ich wollt Mariechen, mein Patenkind, auch einladen; darf ich?«
    »Wenn sie gut essen kann,« sagte Pallieter, »laß sie dann nur kommen, ich will das Ding doch auch einmal sehn... « »Ach, es is so ein schön Mädchen«, sagte Charlot voller Bewunderung, »und brav wie ein Engel. Sie kann noch keiner Fliege weh tun, viel weniger einem Menschen. Wie sie zur ersten Kommunion ging...« »Ja, ja, das hab ich schon hundertmal gehört,« sagte Pallieter, »schreib, daß sie mitkommen soll, mit einem leeren Bauch und einem großen Hunger...«
    »Ich werd schreiben«, sagte Charlot und ging weg. Und Pallieter trank das Krüglein leer.
    Er wollte Weiterarbeiten, aber da ward sein Blick abgelenkt durch ein leuchtendes Licht. Er sah auf, und es war ein Schiff mit einem übergroßen, weißen Segel, das den ganzen Himmel zudeckte. Die Sonne glitzerte darauf, und der weiche Wind ließ es schwellen.
    Pallieter stand auf und lehnte sich über die Hecke, um es besser zu sehen.
    Der Anisgeruch, der von den Heckenrosen in seine Nase stieg, ließ ihn das Schiff vergessen. Aber der Junge, der das Steuer hielt, tutete auf einmal auf einem Horn. Die Tone hallten weit über das Land und fielen nach einer kurzen Stille am blauen Horizont auseinander.
    Das Segel zog weiter, und nun hatte er das weite Netheland vor sich, voll angenehmer Tiefen. Es lag da, hellgrün, weit und klar in dem zarten Licht, das aus dem tiefen Himmel floß. Der Himmel war aus reinem Madonnenmantelblau, und dicht an der Erde entlang schoben sich hohe, gelbe, fette Wolken, oben weiß erleuchtet wie Schnee. Die Nethe war noch tiefer blau und ruhig wie feines Öl.
    Die Mühlen drehten sich langsam, und die fernen Häuser schimmerten weiß und rot.
    Die zahllosen Butter-, Kuh- und Pferdeblumen auf den Weiden waren wie lebendige Flecken aus Butter und Milch. In der Luft ein Wildgänsedreieck und aus dem blauen Wald das Lachen einer Elster.
    »Oh,« sagte Pallieter, »da fehlen noch Luftballons.«
    Und was tat er, der Vetter? Er holte sich eine Kaffeetasse, machte aus grüner Seife und Regenwasser eine Brühe darin, suchte sich seine sauberste Pfeife und setzte sich wieder an die Hecke. Mit der Pfeife blies er ins Wasser, kräftig und lang, bis babbelnd ein Turm von aufeinandergehäuften Seifenkugeln daraus aufgestiegen war. Er faßte eins von den zerbrechlichen Bläschen mit dem Pfeifenkopf, blies vorsichtig in den Stiel, und eine silberne Blase entfaltete sich wie eine Kugel aus der Pfeife. Als sie größer wurde, schwammen mit einem Male feine grüne, rote, purpurne und goldene Farben darin, die durcheinanderliefen, aufstiegen, sanken und sich miteinander verschmolzen. Pallieter stand entzückt davor und sah sein eignes Bild, sein Haus und die ganze Landschaft drin.
    »Es is grad, als ob ich meine Seele ausblase«, sagte er. Und als sie zwei Kinderköpfe groß war, schwer von den Farben, löste er sie mit einem kleinen Stoß von der Pfeife ab, und die dünne Blase stieg langsam in die blaue Luft hinauf.

    »Was für ein schönes Ding, es is Sünde und Schande, daß ich das nich an meine Stubendecke hängen kann.«
    Und er machte noch größere, kleinere und ganz kleine, und alle trieben sie, als ob sie stolz auf sich seien, ruhig in die Höh.
    Sie zeichneten sich golden oder rot oder grün gegen das Himmelsblau ab und hingen da schwebend, noch schöner als die Sterne der Nacht.
    Manche gingen ganz hoch, andere sanken nieder auf die Erde, platzten an einem Baum, aber die meisten brach die Sonne.
    Petrus, der Storch, stand auf dem Dach mit dem Schnabel unter den Flügeln und sah träumend dem Spiele zu. Pallieter sah es und versuchte, Blasen auf den Vogel zutreiben zu lassen.
    Es ging, aber dieser ließ sie ruhig vorbeiziehen. Doch eine, die ihm zu nahe kam —es war gerade eine goldenpurpurne—, schlug er mit seinem
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