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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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roten Schnabel kaputt.
    »Bravo, Petrus,« rief Pallieter, »du kriegst gleich ein Stückchen Fleisch«, und er machte weiter Blasen, denn er konnte sich nicht satt sehen an den himmlischen Farben.
    Während er so beschäftigt war, kam ein magerer, gelber Mann vorbei, der in einem dicken Buch las. Er war Philosoph, Theolog, Historiker, Naturforscher usw.
    »Ach,« rief Pallieter, der ihn kannte, »wie könnt Ihr jetzt nach Schnee suchen vom vorigen Jahr, wenn die Sonne da oben so schön scheint!«
    »Die Sonne geht mich nichts an,« sprach der Gelehrte, »sie
    scheint immer, ich suche das Weltsystem.«

     
    »Ihr wollt einen Furz in einen Vogelbauer gefangen setzen!« sagte Pallieter, und ärgerlich schritt der Philosoph weiter und las in seinem dicken Buch. Aber da raschelte und bewegte sich etwas unter den breiten Wirsingblättern, und gelb und schwarz kam die Schildkröte darunter hervorgekrochen.
    »Ei! Fille,« sagte Pallieter, »ich hab dich ja zwei Tage lang nicht mehr gesehen! Wie gehts?.. komm mal her.«
    Fille, die Schildkröte, kam, und Pallieter klopfte mit dem Knöchel auf ihre glänzende Schale. Sie betrachtete ihn. Er nahm sie auf den Arm, und sie rieb ihren harten, trockenen Kopf an seiner Wange hin und her.
    »Ei, du gut stumm Tierchen,« sagte Pallieter, sie niedersetzend, »guck hier, das is für dich.«
    Und er fing mit der Hand eine von den tausend Eintagsfliegen, die in der feinen Luft hingen und summten, und steckte sie der Schildkröte ins Maul.
    Da läutete das Mittagsglöckchen silberig summend vom Beginenhoftürmchen, und Charlot kam aus der Küche und rief voller Freude:
    »Er is fertig!.. Ich will ihn mal vorlesen!..«
    Sie setzte sich Pallieter gegenüber, der auf den Knieen hockend zuhörte. Ein Sonnenstrich zog sich über ihre rote Nachtjacke und ihre blaue Schürze. Ein Tintenklecks lief ihr von der Nase nach der Unterlippe, und ein bißchen Sonne zitterte in ihrem linken Auge, das sie deshalb zumachte. Und sie las also von dem weißen Papier:
     
    »Lieber Onkel Hanrie!
    Ich nehm die Feder in die Hand um Euch den Stant meiner Gesundheit wissen zu lassen und hoffe von Euch dasselbe. Sonntag über acht Tage is Kirmeß und unser Herr Pallieter will gern haben, daß Ihr zu dem Fest kommt, wie voriges Jahr, um zu schlemmen und zu schlampampen. Er hat gesagt, Ihr sollts der ganzen Famili sagen, denn sonst muß ich zuviel Briefe schreiben. Kommt nur mit der Eisenbahn, zur selben Zeit wie voriges Jahr. Der Bauer will mit Wagen und Pferd an die Bahn kommen und die Weiber auflaten. Die Männer müssen zu Fuß gehen. Der Schmied an der Nethe schlacht ein Spanferkel zum Essen, denn Ihr wißt unser Bauer macht kein Her tot, noch kein Wurm. Das kann er nich übers Herz kriegen, sagt er, aber essen tut er sie doch. Er will kein Tier im Haus nich haben, und ich hätt so gern ein Kanarienvogel, aber er will absolut nix davon wissen. Die müsse fliege, sagt er. Ich hab schon einen schönen Käfig gekauft, für vier Frank, aber der Bauer sagt, ich soll mir ein blechenen Kanarienvogel hineinsetzen. Neue Kartoffel und Erbsen werden viel da sein und auch Erdbeeren.
    Die Köchin vom Pastor im Beginenhof hat ein neu Rezept erfunden für Apfeltorte. So will ich eine machen. In einem Wort, es soll an nix fehlen. Aber hört einmal: Der Bauer sagt, daß Ihr mein Patenkind Mariechen sito, sito mitbringen müßt, denn sonst is es ihm gar nicht recht. Ich glaub ich hab weiter nix zu sagen, als wie viele Grüße an Mariechen und daß sie fleißig für mich beten soll. In der Hoffnung, daß Ihr dann allesamt kommt, schreib ich mit der Feter und mit dem Herzen.
    Charlott Bellekens
     
    Pe, Se — Gleich wenns dunkel wird will der Bauer Lampions anstecken und ein großes Feuerwerk machen.
    Charlott Bellekens«
     
    Und als sie fertig war mit Lesen, liefen zwei große Tränen über ihre Wangen, und sie sagte gleich darauf mit vor Rührung gepreßter Stimme: »Komm essen!«

 
     
     

Der Vogelbesuch
     
    N ach dem Essen zog Pallieter Klettersporen an die Beine, nahm eine Leiter auf die Schulter und zog in die Felder hinaus, um einmal nachzusehen, wie es mit den Eiern und den jungen Vögeln stand. Er nahm fast jeden Baum vor, legte die Leiter an die Stämme, um in die Astlöcher su sehen, und kletterte mit Katzengewandtheit bis in die Spitzen der Bäume.
    So sah er die rosigen, grün- und schwarzgesprenkelten Eier in den dunklen Nestern glänzen, er zählte sie und hatte seine Freude daran, sie vorsichtig mit leisen
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