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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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sie niederkniete vor ihrem Madonnenbild von Scherpenheuvel und mit geschlossenen Augen anfing zu beten.
    Und klatsch, da fiel der Regen.
    »Ja, aber das muß man ausnützen!« rief Pallieter.
    Er ließ die Torten stehen und lief hinaus in den Garten.
    Im Handumdrehen war er tropfnaß wie ein Seehund, und es tat ihm gut, wie warme Milch und Rosinenbrot einem frierenden Bettler.
    Der kühle, milde Regen rauschte erfrischend über das Land, begoß die Bäume und die Pflanzen, platschte auf das Wasser und pladderte auf das Dach. Es war eine Wassersymphonie. Die Tauben und die Hühner schlugen die Flügel über die Köpfe, um die warmen Grübchen ihrer Schwingen naß werden zu lassen.
    Petrus, der Storch, stand regungslos mit seiner Frau, jedes auf einem Bein, in ihrem Nest; und die Enten lagen auf der Bleiche mit ausgebreiteten Flügeln in einem Klumpen zusammen. Pallieter hatte am Tage vorher sein Haar dicht am Kopf abgeschoren, und nun klatschte und glänzte der Regen darauf wie auf einer steinernen Kugel.
    Es regnete und regnete!.. Und während hier das Wasser noch strömte, bohrte sich ein Bündel Sonnenstrahlen durch die Wolken, und ein leuchtender Fleck hellgrünen Landes lag dort hinten im Feld. Der Regen siebte das Licht, und nun war es Gold, das fiel, lauter Bohnen von Gold. Pallieter guckte sich die Augen aus.
    »Das ist Manna!« sagte er; und er warf den Kopf zurück, machte den Mund auf und ließ die goldenen Tropfen hineinfallen.
    Und da kam noch ein Strahl, und dort noch einer, und es war, als ob der erste frische, grüne Lenz ganz schnell zurückgekommen sei.
    Dort, über dem Felderbauch erhob sich das Ende des Regenschauers in die Höhe, und das halbe Land glitzerte in der Sonne, während der dunkle Teil noch vom Regen rauschte.

     
    Die Vögel schüttelten das Wasser von den Flügeln, flogen auf einen andern Zweig, und da fing eine Meise an zu pfeifen, ein Fink an zu schmettern, und auf einmal ging es los: alles, was Schnabel hatte, jauchzte mit frischer Stimme die helle Freude hinaus. Der Hahn krähte, und eine Lerche stieg auf. »Das is wohl ein Vergnügen, he,« schimpfte Charlot, »sich so naß regnen zu lassen?«
    »Ach Mädchen, schweig, ich bin einen Fuß größer geworden«, sagte Pallieter; und er ging hinein, um ein reines Hemd und eine andere Hose anzuziehen.
    Die Natur schien um vierzig Tage verjüngt, alle möglichen Düfte stiegen aus der nassen Erde empor, und alle Bäume sangen.
    Der Himmel war wieder rein und blau wie ein Vergißmeinnicht, und die Sonne ließ alles, noch naß vom Regen, erglänzen.
    Pallieter wandelte voll innerlichen Friedens durch seinen Garten. Ah, da hatte das Viertelstündchen Regen den vollen Sommerüberfluß gebracht. Die Nässe holte alle Blumendüfte hervor, Rosen, Flieder, Reseda und alles durcheinander. Sie hatte die vor dem Platzen stehenden Knospen aufgehen lassen, und nun standen noch einmal soviel Blumen da. Die Bäume tropften noch, und in allen Blumen strahlten silberne Regentropfen.
    Ein gutes Gefühl kam über Pallieter. Er nahm seinen Dudelsack, setzte sich nieder auf die Bank vor der Vordertür und fing an, alte Dudelsacklieder zu spielen, wie: ,Ich will von den Kerlen singen, mit ihrem langen Bart...’ Die groben Klänge summten in das Gold der untergehenden Sonne hinein. Beginen kamen, lauschten und erzählten sich was mit Charlot, die mit ihrem Waschkorb voll Streusel prunkte, und sie gingen langsam über den Wall.
    In der frisch gescheuerten Küche schmeckte das Abendessen und das Bier so gut, daß man dreimal hätte von vorne anfangen mögen.
    Die Nacht kam und die Stille; die Erde dampfte den Regen in feinen Nebeln in die Höhe, und kaum war die letzte Dämmerung ausgelöscht, da stieg auch schon die Sonne wieder hoch, rot wie ein Herdfeuer, und das Leben begann aufs neue.
    Es war Sonntag und Pfingsten, das Fest Gottes des Heiligen Geistes.

 
     
     

Kirmesmorgen
     
    D er Morgennebel hing noch in den niedrigen Sträuchern und über dem Wasser, als überall die Glocken zu läuten anfingen.
    Als Pallieter sah, was für ein herrliches Wetter der Tag bringen würde, warf er seine Mütze in die Luft, lief mit lachendem Gesicht auf den Speicher in die dunkle Kammer mit dem Glockenspiel. Er warf eine hölzerne Dachluke zurück, und das weiße Licht kam hereingeströmt. Als er sich vom ersten Geblendetsein erholt hatte, sah er unten das frische morgendliche Land in all seiner wogenden Weite offen vor sich liegen. Sogleich begann er auf die
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