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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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hölzernen Griffe zu klopfen und zu schlagen; die Drähte rasselten, das Holz quietschte und krachte, aber oben tönten die hellen Glockenklänge wie widerklingende Kristallbecher in die perlklare Luft hinaus. Durch sein Herz brauste der Glockenjubel, und er sang mit, so laut er konnte. Danach steckte er eine neue Kirmesfahne durch das Dachfenster, und der leichte Ostwind bewegte die starken Farben. Und nachdem er mit Charlot Kaffee getrunken hatte, mit Schinken und Eiern in der Pfanne, ging er spazieren und rauchte dabei eine gute Zigarre. Der Regen von gestern war Balsam für die Erde gewesen, und alles war noch einmal so schön, so hell, so rein.
    Mit all den Kirmessorgen hatte Pallieter sich die Beine abgelaufen, nun konnte er fröhlich wie ein Kind den scharfen Duft des freien Feldes riechen. Er lachte, weckte Echos auf, trank irgendwo Bier und spielte Kegel.
    Als er wiederkam, spannte er die schwarzgefleckte weiße Stute an den neuangestrichenen Planwagen und fuhr damit zum Bahnhof.
    Alle Häuser in der Stadt waren beflaggt, und das Glockenspiel vom Sankt-Gommarus-Turm hämmerte Volksliedchen über die Dächer, über denen Tauben kreisten. Schon gingen Männer mit Luftballons herum, und etwas weiter spielte eine italienische Orgel.

     
    Während Pallieter weg war, war Charlot in einer Hetze mit dem Essen. — »Es mag kommen, was will ,« sagte sie, »aber zuerst wird für Gott gesorgt.«
    Und sie hakte blaue Kerzenhalter mit langen Kerzen darin an den Giebel und stellte an die Vordertür einen Tisch mit einem steifen, weißen Laken darüber, auf den sie den Schrein mit dem Madonnenbildchen, ein Kruzifix aus Palmenholz und all die vielen Heiligen aus ihrer Kammer stellte.
    »Denn sie sollen all den lieben Herrgott sehen«, sagte sie. Und drumherum und dazwischen kamen Vasen aus Silberglas mit Blumen und alte kupferne Leuchter mit papierumkräuselten Kerzen darin.
    Sie sah, daß es gut war, und arbeitete weiter an den Speisen. Und in der Stille sangen die Vögel, flatterte die Fahne und strahlte die Sonne durch das Laub der Bäume; sie glitzerte auf den Vasen und dem Kupferzeug und ließ das goldbestickte Mäntelchen der Mutter Gottes glänzen und funkeln. Pallieter lud die Frauensleute in den Planwagen. Als er Mariechen sah, machte er Augen so groß wie Saucentöpfchen und sagte mit einem Seufzer:
    »Ah, was für ein schönes Kind!..«
    Die Mannsleute kamen zu Fuß hinterher.
    Im Planwägelchen steckte innen in der gelben Beleuchtung ein Strauß von überwältigend schönen Farben. Die Frauen hatten all ihr schweres Gold angelegt, und die ältesten trugen feine Spitzenhäubchen mit einem Strohhut darüber, um den ein blaßfarbiges Band steif herunterhing. Sie hatten buntseidene Schals um, worunter feuerrote waren, purpurne und rahmweise mit roten Blumen darin. Auch eine Frau mit einem Säugling war dabei.
    Ein Viertelstündchen später waren sie auf dem ,Reinaert’. Und es gab mit Charlot einen Lärm und ein Geschrei wie beim Jüngsten Gericht.
    Aber da auf einmal stand Mariechen vor ihr, in einem blauen Kleid mit weißen Tupfen und frisch wie eine Blume auf dem Felde.
    Die Tränen sprangen Charlot aus den Augen, sie umarmte es, küßte es auf den Mund, hob es hoch und zerdrückte es fast auf ihrem dicken Leib.
    »Ach, was biste doch für ein schönes Mädchen geworden!« rief sie. »Ach mei Mariechen, mei Mariechen!«, und sie küßte es noch einmal, und ihre Tränen klebten auf Mariechens Gesicht.
    Die Mannsleute kamen heran, zu zehnt, und Pallieter ließ sie alle hereinkommen, wo sie sofort anfingen Bier zu trinken, Pfeifen zu rauchen und zu schwätzen von ihrem Land, von ihrem Vieh, ihren Kindern und dem Wetter. Alles andere war ihnen fremd, als stünde es in einem Buch. Sie wußten nicht, ob sie von vorne oder von hinten lebten, und Pallieter sagte darum: »Ein Bauer mit Verstand is das Ideal von einem Menschen.«
    Etwas später zogen sie alle zusammen in den Garten hinaus.
    Sie waren in Gruppen verteilt, und in dem reichen Grün und den schönen Blumen leuchteten die Farben ihrer seidenen Halstücher. Einige blieben neugierig vor dem Springbrunnen stehen, der so hoch sprang, wie er nur konnte, und perlensprühend heruntertröpfelte auf den Rücken der ruhigen Goldfische. Andere betrachteten die kräftigen kempischen Hähne und Hennen, und ein jeder stand bewundernd vor dem Pfauenschwanz.
    Die Pfeifen rauchten, und das Gold glitzerte, und drumherum lag die Welt in der Sonne. Auf einmal zog ein Liedchen
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