Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Päpste pupsen nicht (German Edition)

Päpste pupsen nicht (German Edition)

Titel: Päpste pupsen nicht (German Edition)
Autoren: Alexander Smoltczyk
Vom Netzwerk:
Sache, wenn man darüber redet, vorher oder nachher. Sonst nicht. Ich trau mich nicht gern.
    Im Treppenhaus vor der Wohnung der Fratellis roch es stark nach Suppe. Das heißt, es war eigentlich ein sonderbarer Geruch, nicht Fisch, nicht Gemüse, nicht Hühnchen, aber auch nicht eklig. Dann klingelte ich. Hinter der Tür hörte ich jemanden heranschlurfen. Ein Gesicht mit fettigen Haaren und überall Bart schaute mich von oben an. Das war Giovanni, der mir manchmal einen Schokoriegel von der Dachterrasse zuwirft. »Ciao, Smilla, musst du keine Hausaufgaben machen? Hast du ein bisschen Hunger? Wir haben gerade etwas auf dem Feuer.«
    Wenn ich jetzt dazu aufgelegt gewesen wäre, hätte ich herausfinden können, was Giovanni in der letzten Woche alles zu Mittag gegessen hatte. Die Nudeln, Gräten und Soßenreste klebten jedenfalls noch in seinem Bart. Sogar ein grüner Drops hing unter seinem Ohr. Ich versuchte, nicht hinzuschauen, und wollte irgendetwas sagen wie: »Hausaufgaben sind was für Mädchen, die nichts verstanden haben.« Aber ich sagte nur: »Ciao. Nein, wir haben nichts auf.«
    »Wer nichts aufhat, hat mehr vom Leben«, brummelte Giovanni lächelnd hinter seinem Bart hervor. Einen Moment lang dachte ich, dass die Fratelli-Brüder so aussehen, wie man in Kinderbüchern immer Räuber beschreibt.
    »Wir sollen nur in der Schule was über Vogelschwärme schreiben, und da dachte ich, ich komme mal hoch, weil man hier bestimmt eine prima Aussicht hat«, sagte ich und versuchte, so zu tun, als sei es das Allernormalste auf der Welt, wildfemden Leuten aufs Dach zu steigen.
    »Vögel? Sonderbar. Wieso ausgerechnet jetzt? Komm, setz dich erst mal. Wir wissen nämlich alles über Vögel.«
    In der Wohnung stand eigentlich nichts außer einem runden Holztisch mit einer runden Öffnung in der Mitte, dessen Tischplatte noch rettungsloser mit Fett, Gräten und Krümeln verkrustet war als der Bart Giovannis. Über der Tischöffnung hing an einer Kette ein Kessel und unter dem Kessel brannte ein Gaskocher.
    »Komm, iss mit uns«, sagte der andere Fratelli, der genauso fettig wie sein Bruder war und Mauro hieß. »Die Nudeln deiner Mutter kannst du immer noch essen. Aber unsere Suppe gibt’s nur einmal auf der Welt.«
    Das war genau meine Befürchtung. Was da in dem Kessel blubberte, sah aus, als hätte jemand eine Biotonne hineingekippt. »Meine Mutter sagt eigentlich, ich soll vorm Essen nichts essen«, murmelte ich, ohne dass jemand zuhörte. Es roch aber nicht so schlimm, wie es aussah.
    »Lass es dir schmecken«, sagte Giovanni und schob mir kleckernd einen Teller zu. »Was ist denn in der Suppe?«, versuchte ich Zeit zu gewinnen.
    Die Brüder schauten sich glücklich an. Dann erzählten sie mir, wie sie jede Nacht durch die Stadt zogen und sich etwas zu essen suchten. Auf den Märkten und hinter den Restaurants am liebsten, aber manchmal auch in Containern.
    »Hier ein Hühnchen, dort ein Gürkchen und dort ein Fischchen. Du findest immer etwas, steckst es ein und trägst es nach Hause.«
    »Nach Hause«, sagte der andere Bruder und nickte.
    Giovanni hievte einen Beutel auf den Tisch und begann, merkwürdig aussehende Gemüsereste, einen Apfel und eine Handvoll Pommes in den Kessel zu werfen. Offenbar war es völlig egal, was in die Suppe kam. »Schmeckt jeden Tag ein wenig anders …«
    »Anders«, wiederholte sein Bruder, »aber immer verflucht gut.«
    Ich hatte keinen Hunger mehr und sagte: »Danke, vielleicht später. Kann ich jetzt mal aufs Dach?«
    »Natürlich. Aber vorher möchte ich dir noch etwas zeigen …« Giovanni bückte sich und schien etwas unter dem Tisch zu suchen. Dann tauchte er, etwas außer Atem, mit einer zerfledderten blauen Hochglanzzeitschrift in der Hand auf und redete weiter: »Hier, das haben wir neulich aufgesammelt. Da steht etwas drin über die Vogelschwärme.« Er blätterte in dem Heft und hielt es sich dabei dicht vor die Augen. »Aha, genau. Also, hier steht es. Schon zu den Zeiten von Kaiser Diokletian«, Giovanni hatte Mühe mit dem Wort und sprach jetzt sehr langsam, »gab es in Rom die Starenschwärme. Es sind ungemein gesellige Tiere, die alles gemeinschaftlich verrichten. Bis heute ist unerforscht, weshalb die Schwärme über die Jahrhunderte immer an den gleichen Orten auftreten.«
    Er klappte das Heft zufrieden zu und schaute mich an wie ein Hund, der gestreichelt werden will.
    »Es war also schon bei den alten Römern so mit den Staren. Aber seit ein paar Tagen hat sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher