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Päpste pupsen nicht (German Edition)

Päpste pupsen nicht (German Edition)

Titel: Päpste pupsen nicht (German Edition)
Autoren: Alexander Smoltczyk
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besser ist und wo alle zehn Meter eine Kirche steht, die nach Weihnachten riecht und wo man vor alten Bildern stehen muss. Was dann passiert ist, weiß ich nicht, aber es muss ein winzig kleiner Fiat angehalten haben, und meine Eltern schauen sich immer so »Titanic«-mäßig in die Augen, wenn sie davon erzählen. Jedenfalls wollten sie schon immer in Italien arbeiten, am liebsten in einem Institut mit Kunst, und als Mama dann ihre Stelle bekam und Papa bei einer Kunstbibliothek aushelfen konnte, tranken sie sehr viel Sekt, und Papa sagte, Italienisch sei ganz einfach. Das würde ich schnell lernen. »Nase, zum Beispiel«, sagte er. »Nase heißt naso . Ganz einfach, oder? Und Papa heißt papa , bloß hinten betont, und Zucker heißt zucchero und …«
    »Klappo, Papa«, sagte ich, denn das war echt nicht witzig. Ich musste meine beste Freundin in Berlin zurücklassen und den Spielplatz am Lietzensee, wo man sich an einem Seil weit über den Sand fliegen lassen konnte. In Rom gibt es jede Menge Kirchen, aber keine Spielplätze. Kinder scheint es auch keine zu geben oder die werden irgendwo weggesperrt. Die Autos fahren dir fast über die Füße, aber ständig grapschen einem wildfremde alte Tanten unters Kinn und flöten, wie schön man sei: »Ma, che sei bella …« Ich hab schon Hornhaut davon.
    Kurz vor den Sommerferien hatten wir dann jedenfalls zwölf Meerschweinchen, die zusammen zwölf Mal so viel Köttel auf dem Balkon verteilten und ebenso auf allen Balkonen unterhalb von unserem. Papa ging zu Georgettas Vogel-Shop und machte eine ziemliche Szene. Georgetta sei schuld an der Meerschweinchenplage und sie müsste jetzt Brownie und die anderen zurücknehmen, und außerdem könnten wir jetzt nicht in den Urlaub fahren und so weiter. Peinlich. Georgetta erzählte etwas von dem Glück des Kinderkriegens, von Tierliebe und von Parks, wo man Tierchen nachts aussetzen könnte.
    »Komm, Papa, wir gehen lieber«, sagte ich.
    Das taten wir auch. Papa fing dann an, in den gelben Telefonbuchseiten nach einem Tierarzt zu suchen. »Mono wird jetzt operiert«, sagte er, »damit er keine Mini-Monos mehr machen kann.«
    Papa hatte vergessen, dass inzwischen mindestens vier andere Männchen auf unserem Balkon herumliefen, aber das sagte ich ihm nicht. Im Telefonbuch gab es einen Tierarzt bei uns in der Nähe. Er hatte einen deutschen Namen, Doktor Gänsebein, deswegen rief Papa ihn an.
    »Meerschweinchen? Ich kümmere mich eigentlich eher um Löwen«, sagte der Doktor. Er war Tierarzt im Zoo von Rom. Aber weil Papa so drängelte oder weil er ein netter Mensch war, machte er eine Ausnahme für uns. »Na gut, bringen Sie das Tier morgen in den Zoo.«
    Ich fragte, ob das wehtäte.
    »Nein, Mono bekommt eine Spritze und schläft«, sagte Mama.
    So fuhr Papa am nächsten Tag mit einem Pappkarton voll Mono auf dem Schoß mit der Straßenbahn Nr. 19 über den Tiber zum Zoo. Als er ausstieg, war der Boden des Kartons schon ziemlich dicht mit Würstchen bedeckt. Wahrscheinlich war Mono genauso nervös wie Papa.
    Papa erzählte später, in der Praxis von Dr. Gänsebein habe ein Nilpferd auf der Patientenliege gelegen, das hätte Zahnschmerzen gehabt. Und er sei sich sonderbar vorgekommen, wie er da mit Mono im Pappkarton zwischen den Berggorillas und Elefanten und Tapiren und Giraffen herumgewandert sei. Und er sei eigentlich auch froh, dass ich mir kein Tapirpärchen gewünscht hatte. Na ja, was Väter immer so reden. Mono jedenfalls sollte eine Nacht beobachtet und dann operiert werden. Am nächsten Tag klingelte das Handy von Papa, und Dr. Gänsebein sagte, es sei bisher alles gut gegangen. Mono hätte jetzt einen Verband und würde noch eine Nacht in der Praxis bleiben, falls Komplikationen aufträten.
    »Komplikationen? Der tut so, als ginge es um den Bundespräsidenten und nicht um so ein blödes …«
    »Papa«, sagte ich, mit lang gezogenem A am Ende. Da war er still.
    Am nächsten Tag kam Papa ziemlich bedrückt nach Hause und wollte erst mit Mama reden. Ich wusste schon, dass ich gleich weinen würde. Und das tat ich dann auch, den ganzen Abend und am nächsten Morgen in der Schule auch wieder. Mein Mono. Der Arzt vom Zoo hatte angerufen und gesagt, dass Mono »an Komplikationen« gestorben sei. Er hätte morgens ganz steif in seinem kleinen Käfig gelegen, ganz alleine zwischen den großen Tieren im Zoo. Ich fühlte mich, als hätte ich Pudding in den Knien und meine Hände wären aus Beton oder so was. Papa hätte
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