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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich
Autoren: Sebastian Fitzek
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neben dem mit schwerem Schnitzwerk verzierten Portal.
    »Wo?« Es war das erste Wort, das der Polizist sprach.
    »In der Halle, vor dem Kamin.« Ich zögerte, blieb stehen.
    Der Polizist wandte sich zu mir um. »Wollen Sie nicht mitkommen?«
    »Was ist, wenn er noch drin ist?«
    »Der Mörder?« Ein müdes Lächeln strich über sein Gesicht. »Ich werde alleine nachsehen.« Er streckte seine Hand aus, sah mich auffordernd an.
    Ich verstand nicht, was er wollte.
    »Den Hausschlüssel.«
    Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
    Er wies auf meinen Mantel. »Sehen Sie in Ihrer Tasche nach.«
    Ich griff in meine Manteltasche und spürte kaltes Metall zwischen meinen Fingern. Überrascht zog ich einen großen Schlüssel hervor, ein angerostetes Ungetüm, so alt wie das Haus, zu dem es gehörte. Ich begriff sofort: Trotz meiner Panik musste ich die Eingangstür abgeschlossen und den im Schloss steckenden Schlüssel abgezogen haben, um dem Mörder die Flucht zu erschweren.
    Der Polizist nahm mir wortlos den Schlüssel aus der Hand, stieg die Stufen hinauf zur Eingangstür und verschwand im Inneren des Hauses.
    Fünf Minuten später kam er wieder heraus. »Da ist nichts.«
    Erstaunt sah ich ihn an. »Aber das kann nicht sein!«
    »Ist aber so. Es ist nichts passiert.« Er gab mir den Schlüssel zurück. »Besser, Sie ruhen sich aus. Sie werden müde sein.« Der Beamte tippte mit dem Finger an seine Mütze und verschwand ohne ein Wort des Abschieds in der Dunkelheit.
    Ratlos, den Schlüssel in der Hand, sah ich ihm nach. Ich war mir sicher, dass in der Halle ein toter Mann gelegen hatte, ein junger schlaksiger Typ mit blonden Haaren und einer klaffenden Wunde in seinem Schädel.
    Sollte ich mich tatsächlich geirrt haben?
    Tief in mir spürte ich, es wäre das Beste gewesen, die Sache auf sich beruhen zu lassen und diesem Ort den Rücken zuzukehren. Doch die Ungewissheit, ich könnte mir alles nur eingebildet haben, hielt mich zurück. Ich hatte den Toten gesehen! Entschlossen griff ich den Schlüssel fester und stieg die Stufen hinauf, bis ich vor dem Portal des Herrenhauses stand. Kurz zögerte ich, dann betrat ich das Gebäude.
    In der Halle war es dunkel, nur ein flackerndes Feuer in einem von Sandstein umfassten Kamin erhellte den Raum. Ein Löwenkopf, den ein längst zu Staub zerfallener Künstler vor Jahrhunderten in den Kaminsims gemeißelt hatte, blickte spöttisch zu mir herüber. Das Licht der Flammen strich über seine steinerne Mähne. Jede Faser meines Körpers angespannt, stand ich in der Dunkelheit und wartete auf eine Bewegung. Doch bis auf die im Kamin tanzenden Flammen rührte sich nichts, die Halle schien verlassen zu sein.
    Nach und nach gewöhnten sich meine Augen an das Dämmerlicht. Suchend sah ich mich um. Der Platz vor dem Kamin war leer. Auch der Trekkingrucksack auf dem Stuhl vor dem Feuer war fort. Sollte ich mich geirrt haben? Ich war mir sicher, der junge Mann hatte den Rucksack dort abgestellt, als er hier vor dem Schnee Schutz gesucht hatte, genau wie ich. Wir hatten uns auf dem Weg unterhalb des Hauses getroffen und waren gemeinsam hergekommen.
    Langsam ging ich hinüber zu der Stelle, an der der Blonde gelegen hatte. Der Boden war sauber, nicht die Spur von Blut, das überall den Boden bedeckt hatte. Auch die Scherben des Glases waren fort. Ich suchte nach Licht, einer Lampe, einem Schalter an der Wand, zündete mir schließlich am Kaminfeuer ein paar Kerzen an, die ich in einem Leuchter neben dem Eingang gefunden hatte. Den Leuchter in der Hand, ging ich in die Knie und betrachtete die Fliesen im flackernden Licht der Flammen. Der Boden war makellos, nicht ein Staubkorn war zu sehen, so als habe hier nie ein Toter mit gespaltenem Schädel gelegen. Oder sollte jemand kurz zuvor die Stelle gesäubert haben?
    Ein Windstoß fuhr ums Haus und zerrte an den Fensterläden, dann war ein Poltern zu hören, das Klirren von berstendem Porzellan. Ich fuhr herum, starrte in die Dunkelheit. Waren da Schritte? »Hallo! Ist da jemand?« Meine Stimme krächzte, ich räusperte mich, rief noch einmal. Keine Reaktion. Den Blick unverwandt ins Dunkel gerichtet, tastete meine Hand nach dem eisernen Schürhaken, der in einem Gestell neben der Feuerstelle hing. Ich fühlte mich besser, als ich die schwere Stange in meiner Handfläche spürte.
    Wohin hatte der Mörder sein Opfer gebracht? Ich wusste, ich musste den Toten finden, wenn ich mir und den anderen beweisen wollte, dass ich recht hatte. Ich war nicht
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