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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich
Autoren: Sebastian Fitzek
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raus, bevor er mich fand, bevor er auch mich erschlug und in seinen Keller schleppte, um mich auszuweiden. Wo war er? Stand er oben vor der Fahrstuhltür und wartete auf mich? Ich schluckte trocken, versuchte die Angst, die mich zu überwältigen drohte, niederzuringen.
    Ein Ruck, die Kabine stoppte, die Fahrstuhltür glitt knirschend zurück. Ich schnellte vor, hinaus in die Dunkelheit, die Arme zum Schutz erhoben, um den erwarteten Angriff abzuwehren. Schmerzhaft prallte ich gegen einen Stuhl, der vorher nicht hier gestanden hatte; ich stürzte über ihn und fiel zu Boden. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht im Festsaal war, sondern in einem Wohnzimmer. Offenbar hatte ich in meiner Panik den falschen Knopf gedrückt und war in das oberste Stockwerk des Hauses gefahren. Hastig stand ich auf, um zurück in den Fahrstuhl zu gelangen, doch die Tür glitt zu, bevor ich sie erreichen konnte. Verzweifelt zerrte ich an der verschlossenen Fahrstuhltür, um in das Innere der Kabine zu gelangen, suchte panisch die Wände neben dem Lift ab, doch vergeblich, ich konnte kein Bedienfeld entdecken. Ich saß in der Falle.
    Langsam drehte ich mich um. Ich zwang mich zur Ruhe: Ich wusste, wenn ich mich gegen den Mörder behaupten wollte, dann durfte ich nicht den Kopf verlieren. Meine Panik würde mich ihm in die Hände spielen – nur wenn ich ruhig blieb, könnte ich ihm entkommen. Denn ich spürte, er war mir nahe, näher als zuvor.
    Ich sah mich um. Der Raum war geschmackvoll eingerichtet, mit einer Mischung aus Antiquitäten und modernen Möbelstücken, die mir gefiel. Über einem Sideboard, auf dem eine teure Musikanlage stand, hing ein Portrait von Charlie Parker, daneben ein abstraktes Gemälde. Beherrscht wurde der Raum von einer Sitzgruppe mit einem flachen Couchtisch in der Mitte. Ein leeres Glas und eine ungeöffnete Flasche Wein standen darauf bereit, daneben lagen ein Korkenzieher und ein antiquarisches Buch – eine Einladung, sich zu setzen, zu trinken, zu lesen. Der Titel des Buches sagte mir nichts, zwei lateinische Wörter, die ich nicht verstand; und auch den Namen des Autors, Eugen Bleuler, hatte ich nie zuvor gehört.
    Eine Stimme in mir sagte, ich solle mich setzen, den Wein öffnen, das Buch lesen; doch die Vorstellung, hier lesend auf den Mörder zu warten, schürte meine Angst. Ich musste hier raus! Gehetzt sah ich mich um. Es gab sicherlich noch einen zweiten Weg hinab in die Halle. Mir fiel die Treppe ein, ich würde sie finden und alles hinter mir lassen.
    Zwei Türen führten aus dem Wohnzimmer hinaus. Ich öffnete die erste, spähte vorsichtig durch den Spalt und betrat, als ich keine Bewegung sah, den angrenzenden Raum. Im Licht des Mondes, das durch die Fenster fiel, erkannte ich ein großes Schlafzimmer. Das Bett in der Mitte des Raumes war ungemacht, Kleidung lag auf dem Boden, so als habe sich jemand hastig umgezogen. Ich wollte mich schon abwenden, um weiter die Treppe zu suchen, als ich stutzte: Ich kannte die Kleidungsstücke, die dort lagen! Geschockt hob ich die Jacke auf und betrachtete sie. Ich musste mich irren! Das konnte nicht sein! Doch dann entdeckte ich den kleinen Riss an der Seite unterhalb der Tasche. Ich war an einem Nagel hängen geblieben, als ich einen Weidezaun überquert hatte. Dies war meine Jacke, es gab keinen Zweifel. Wie kam sie hierher? Ich sah mir die anderen Kleidungsstücke an. Auch die Hose gehörte mir, das Hemd mit den silbernen Knöpfen, die Krawatte. Mir war schwindelig, als ich unter der herabhängenden Bettdecke den Pullover entdeckte, den ich so gut kannte. Wann hatte ich ihn ausgezogen? Ich sah an mir herab und entdeckte überrascht Kleidung an mir, die ich nicht kannte.
    Dann sah ich das Blut: eine klebrige, verkrustete, braunrote Masse, die eine Seite des Pullovers bedeckte und die an meinen Händen haften blieb, als ich sie berührte. Auch an der Hose entdeckte ich Blut. Geschockt starrte ich auf meine Kleidung. Was war geschehen? Mir wurde schwindelig, ich tastete nach Halt, richtete mich schwankend auf. Gegen die nahende Ohnmacht ankämpfend, stolperte ich zur Tür.
    Dann hörte ich seine Stimme: »Du kannst mir nicht entkommen.«
    Ich fuhr herum. Es war ein Flüstern gewesen, leise, doch deutlich zu verstehen. Der Raum hinter mir war verlassen.
    »Gib auf. Ich kriege dich.«
    Erneut fuhr ich herum. Die Stimme war nahe gewesen, sehr nahe. Ich öffnete den Mund, versuchte zu sprechen. »Wo bist du?«
    »Hier. Bei dir.«
    Niemand war zu sehen.
    Ich
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