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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Autoren: Tad Williams
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heißen, wir brauchen uns gegenseitig?« fragte er den Fremden scharf.
    »Wir sitzen hier zusammen in der Falle, deshalb. Euer gestohlenes Zugangsgerät – ich nehme mal an, ihr habt es diesem Idioten Yacoubian abgeknöpft – wird nicht funktionieren. Meine Codes und Befehle genausowenig. Ich habe meine Gründe, weshalb ich eure Hilfe brauche, aber inwiefern ich euch nützen kann, dürfte offensichtlich sein.«
    »Weil du das ganze Netzwerk gebaut hast.«
    »Mehr oder weniger, ja. Kommt mit, ich möchte euch etwas zeigen.« Er deutete auf die Seite, wo die Bergspitzen verschwunden waren und nur eine glatte Bruchkante aus schwarzem Stein geblieben war. »Wenn ihr mir nicht traut, trete ich ein Stück zur Seite.« Er wich zurück, wobei er ohne Neugier einen kurzen Blick auf Fredericks warf, die immer noch neben Orlandos verlassenem Körper lag. »Nur zu, seht es euch an.«
    Sie und !Xabbu begaben sich mit äußerster Vorsicht an den Steilabbruch des Berges. Renie vermutete, daß sie dort standen, wo sich vorher die Schulter des Riesen befunden hatte. Irgend etwas hatte sauber und gründlich wie ein heißes Messer den glänzenden schwarzen Stein weggeschnitten, doch das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit fesselte. Sie und !Xabbu traten noch ein paar Schritte vor, bis sie einen guten Ausblick hatten.
    Der große schwarze Berg stürzte vor ihnen weit in die Tiefe ab. Auch wenn sie eine Talsohle gesehen hätten, wäre die Höhe ihres Standorts schwer abzuschätzen gewesen, aber es war keine zu erkennen. Statt dessen war der Berg vollkommen von etwas umringt, das Renie zunächst für eine Nebelbank hielt, einem flachen weißen Wolkenmeer, das sich in alle Richtungen erstreckte, bis es schließlich in den grauen Horizont auslief. Bei näherem Hinschauen sah sie in der formlosen Masse ein merkwürdiges Glitzern und Funkeln, das der endlosen Wolkenfläche einen leicht silbrigen Glanz verlieh und dennoch ihre weiße Gleichförmigkeit nicht beeinträchtigte.
    Es ist wie in dem alten Märchen von Hans und der Bohnenranke, dachte sie. Als ob wir in den Himmel gestiegen wären. Dann kam ihr ein anderer Gedanke, der weitaus weniger beschaulich war. Wir werden irgendwie hier runter klettern müssen. Dafür braucht er uns. Kein vernünftiger Mensch würde einen solchen halsbrecherischen Abstieg auf eigene Faust versuchen.
    »Seht ihr es?« rief Jongleur mit leiser Ungeduld in der Stimme.
    »Ja. Was ist das für ein weißes Zeug?«
    »Ich weiß es nicht.« Er beobachtete sie, als sie zurückkamen. Die Nacktheit schien ihn noch weniger zu stören als !Xabbu , falls das überhaupt möglich war. »Ich dachte, ich wüßte alles, was ich wissen muß, aber das war offensichtlich ein Irrtum. Einem Diener habe ich mißtraut, aber verraten hat mich ein anderer.«
    »Dread … er arbeitet für dich.« Es kostete Renie ungeheure Überwindung, auch nur ein Wort mit dem Mann zu wechseln.
    »Das war einmal.« Jongleur machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich wußte, daß er ehrgeizig ist, aber ich muß gestehen, er hat mich überrascht.«
    »Überrascht?« Renie versuchte den heiß in ihr aufwallenden Zorn zu unterdrücken. »Er hat dich überrascht? Er hat unsere Freunde umgebracht! Er hat Menschen gefoltert! Und du hast ebenfalls Freunde von uns umgebracht, du Schwein! Du bist ein egoistischer, bösartiger alter Dreckskerl, und wir sollen dir helfen, von hier wegzukommen?«
    Jongleur sah ruhig zu, wie !Xabbu einen Arm um sie legte. Renie verstummte, vor Wut und Abscheu zitternd.
    »Ja, ja, es geht traurig zu auf der Welt«, sagte Jongleur lakonisch. »Es interessiert mich nicht, ob ihr mich ermorden wollt – Tatsache ist, ihr traut euch nicht. Ich habe dieses System gebaut, und wenn ihr hier rauskommen wollt, braucht ihr mich. Soweit ich es überblicke, sind nur noch wir fünf in dieser ganzen Welt am Leben, was immer sie darstellen mag.«
    »Vier«, entgegnete Renie bitter. Sie deutete auf die Stelle, wo Fredericks an den Körper ihres Freundes gekauert lag. »Dein Kumpan mit dem Falkenkopf hat Orlando ermordet.«
    »Euer gefallener Kamerad war nicht mitgezählt.« Jongleur setzte ein schiefes Grinsen auf. »Ich habe meinen Kollegen gemeint.«
    Renie blickte auf und sah noch jemanden neben dem Felsen stehen, einen hübschen jungen Mann, der ausdruckslos vor sich hinglotzte. »Das … das ist der erste, der deine Zeremonie durchlaufen hat.«
    »Ja«, bestätigte Jongleur, während der Mann mit dem leeren Blick sich abwandte und wieder
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