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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Autoren: Tad Williams
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davonschlenderte. »Ricardo ist bis jetzt unser einziger Erfolg – ein begrenzter Erfolg allerdings, denn er scheint beim Übergang einen leichten Hirnschaden davongetragen zu haben. Dies und das generelle Scheitern der Gralszeremonie haben wir vermutlich meinem untreuen Diener zu verdanken.« Er schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, daß der junge Dread das Netzwerk mittlerweile wenigstens teilweise unter Kontrolle hat und seine neu gewonnene göttliche Macht genießt, indem er eifrig Plagen schickt und Städte zerstört. Es wird wohl zugehen wie im Alten Testament – nur ohne auserwähltes Volk.« Er ließ ein leises, trockenes Kichern hören, das klang, als ob ein Eidechsenbauch über einen Stein schabte. »Ihr meint, ich sei bösartig? Dann habt ihr noch nicht erlebt, was das heißt.«
    Renie beherrschte sich, so gut sie konnte. »Aber wenn dieser Dread das Netzwerk kontrolliert und er dich so sehr haßt, wieso bist du dann noch am Leben? Wieso …«, sie schwenkte beide Arme, »… wieso geht dann nicht einfach der Himmel auf, und ein Donnerkeil fährt herab und verbrennt dich zu Asche?«
    Jongleur musterte sie einen Moment lang schweigend und unbewegt. »Ich werde deine Frage beantworten – es wird die einzige Information sein, die du ohne Gegenleistung von mir erhältst. Johnny Dread mag jetzt der Gott des Netzwerks sein, aber ich habe das Ding zum großen Teil selbst konstruiert, und nichts ist ohne meine Zustimmung geschehen. Dieser Ort, wo wir uns jetzt befinden?« Mit einer Handbewegung deutete er auf den farblosen Himmel, das unnatürliche Gestein. »Er wurde nicht von der Gralsbruderschaft gebaut. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind oder was hier mit uns geschieht – aber dies ist kein Teil des Netzwerks.«
    Der weißhaarige Mann setzte wieder sein hartes Lächeln auf, bei dem sich nur die dünnen Lippen verzogen, während die Augen kalt und tot blieben. »Also … sind wir uns handelseinig?«

Ausblick
    > Sie hatte so hart und plötzlich an die Ersatzradmulde geklopft, daß er heftig erschrocken war. Was sie gesagt hatte, war noch schlimmer gewesen. »Mike und mein kleines Mädchen sind gerade von MPs abgeholt worden.« Sie hatte so leise gesprochen, daß er sie durch die Metallabdeckung und den Bodenbelag kaum verstanden hatte, aber ihre Angst war nicht zu überhören gewesen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich fahre hier weg.« Er hatte versucht, sie zurückzurufen, aber da war die Hecktür des Vans auch schon zugefallen.
    Sellars war Dunkelheit und Warten gewöhnt. Beengte Verhältnisse machten ihm nichts aus. Dies jedoch war eine Tortur. Der Van fuhr immer noch – durch die Stoßdämpfer und das Fahrgestell spürte er jede kleine Unebenheit auf der Straße –, und das war immerhin etwas, aber nach zwei Stunden war es doch ein sehr schwacher Trost.
    Er hatte bereits mehrfach den Privatanschluß der Sorensens probiert, was ihn mit dem Innern des Wagens hätte verbinden müssen, aber Kaylene Sorensen ging nicht dran. Sie war die Frau eines Sicherheitsoffiziers und befürchtete wahrscheinlich, Anrufe könnten abgehört werden. Sellars hatte auch versucht, Ramsey zu kontaktieren, doch auch der reagierte nicht auf Anrufe. Wahrscheinlich trennten ihn in dem dunklen Loch, in dem er eingesperrt war, nur wenige Meter von der Erklärung für dies alles, aber er kam nicht an die Schrauben der Abdeckung heran, und solange er sich nicht sicher war, wer im Wagen saß – Frau Sorensens Mitteilung an ihn konnte im letzten freien Moment erfolgt sein, bevor eine bewaffnete Eskorte dazustieg –, wagte er nicht, mit lautem Klopfen auf sich aufmerksam zu machen. Die Erklärung konnte zum Greifen nahe sein, aber sie konnte auch am anderen Ende der Welt liegen.
    Sellars tauchte wieder in sein System ein, und zum drittenmal, seit Christabels Mutter ihre alarmierenden Sätze gesprochen hatte, rief er seinen metaphorischen Garten auf. Sein Informationsmodell war weiterhin ein einziges erschütterndes Chaos, und obwohl mehrere der neuen Strukturen sich weiter verändert und ausgebreitet hatten, konnte er doch wenig Sinn darin erkennen. Eine merkwürdige Krankheit hatte den Garten befallen. Ganze Pflanzen waren von der Bildfläche verschwunden, ganze Bereiche gespeicherter Daten waren verstümmelt oder mit Zugangsverboten belegt. Andere Informationsquellen hatten seltsame neue Formen angenommen. Der saprophytische Wucherpilz, der das mysteriöse Betriebssystem darstellte, war bis zur Unkenntlichkeit mutiert, als ob
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