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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Autoren: Tad Williams
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er eine mörderische Strahlendosis abbekommen hätte. Seine Verbindungspunkte mit dem übrigen Otherlandmodell hatten sich verformt und die wenigen Stellen, wo er ungeschützt mit der metaphorischen Luft des Gartens in Berührung kam – mit anderen Worten, wo Sellars genug Informationen über das Betriebssystem hatte, um seine Tätigkeit wirklich verfolgen zu können –, in nicht wiederzuerkennende, gespenstische Auswüchse verwandelt, Eruptionen farbloser langer Triebe, Wolken austretender Sporen.
    Es war entsetzlich deprimierend. Irgend etwas Entscheidendes war geschehen – geschah in diesem Augenblick –, aber er verstand es nicht. Die erschreckend vitale Otherlandflora, die sehr rasch alles andere dominiert hatte, war binnen weniger Stunden noch weitaus erschreckender geworden … deswegen nämlich, weil sie mittlerweile seinen Informationsgarten nicht nur dominierte, sondern ihn zu vergiften drohte. Schon jetzt begannen Wuchsformen, die seine verschiedenen Interessen darstellten – die Leute, die er in das System geholt hatte, und die anderen, die er in der Außenwelt überwachte –, entweder zu verkümmern oder in den immer rasanteren Fäulnisprozeß im Zentrum des Gartens hineingezogen zu werden.
    Sellars mußte der Wahrscheinlichkeit ins Auge sehen, daß er gescheitert war. Er hatte alles getan, was er konnte – in den letzten paar Tagen hatte er in seiner zunehmenden Verzweiflung sogar mehrere neue Kontakte hergestellt, um nur irgendwie das brüchige Netz des Widerstands zu stärken –, aber jetzt sah es so aus, als hätte er selbst in seinen schlimmsten Befürchtungen das Ausmaß der Gefahr unterschätzt.
    Er konnte nichts anderes tun als warten. Warten, daß der Van irgendwann anhielt, warten, daß jemand ihm mitteilte, was los war, warten, daß die schauerlichen Veränderungen in seinem Garten irgendeinen Sinn gaben, irgendeinen Aufschluß, auf Grund dessen er weitermachen konnte.
    Es war natürlich mit beinahe hundertprozentiger Sicherheit zu spät. Er wußte das, aber es beirrte ihn eigentlich nicht; er hatte keine andere Wahl.
    Sellars betrachtete seinen verwüsteten Garten. Sellars wartete.
     
    Auf der anderen Seite des Kontinents hatte für zwei Menschen in einem Krankenhauszimmer in Kalifornien das Warten endlich ein Ende genommen.
    Die Geräte in dem weißen Raum waren abgeschaltet worden. Apparate, die gesummt oder getickt oder nur ganz leise gesirrt hatten, schwiegen jetzt. In wenigen Minuten, wenn die beiden das Zimmer verlassen hatten, würden Pfleger die teuren Geräte holen kommen und sie anderswo anschließen.
    Zwei Menschen, die sich restlos ausgeweint hatten, beugten sich über eine stille Gestalt in einem Krankenhausbett, schwiegen gemeinsam Seite an Seite, aber ohne sich zu berühren, wie verirrte Polarforscher. Ihr Warten war vorbei. Das Morgen war unvorstellbar. Sie standen im unbewegten, leeren Zentrum der Zeit, tränenlos und gebrochen.
     
    Für die Frau auf dem Balkon eines Motels in Louisiana hatte das Warten gerade erst angefangen.
    Sie lehnte am Geländer und blickte über eine weite, nebelverhangene Wasserfläche hinaus. In der Mitte des großen Sees ragte ein senkrechter schwarzer Streifen über den Dunstschleier hinaus wie der Mast eines Geisterschiffes.
    Sie war von weither gekommen, um diesen Ort zu finden, diesen Turm. Die Stimmen in ihrem Kopf hatten sie tage- und nächtelang über kiefernbestandene Berge und eine regengepeitschte Küste gelotst, wo jenseits der Wattengebiete die orangegelben Lichter von Bohrtürmen wie Raumschiffe glommen, die nach einer trockenen Stelle zum Landen suchten. Die Stimmen hatten sie an diesen Ort geführt. Dann hatten sie sie unvermittelt im Stich gelassen.
    Sie waren jetzt fort, sämtliche Stimmen, vollkommen fort. Die Nächte waren auf einmal leer. In den ganzen Jahren ihres weitgehend einsam verbrachten Lebens hatte die Frau sich niemals so allein gefühlt.
    Sie lehnte sich an das Balkongeländer und wartete auf das Ende der Welt.

Dank
    Die Liste der Freundlichen, Hilfreichen und Geduldigen, die zu den OTHERLAND-Büchern beigetragen haben, umfaßt inzwischen die folgenden großherzigen Seelen: Barbara Cannon, Aaron Castro, Nick Des Barres, Debra Euler, Arthur Ross Evans, Amy Fodera, Sean Fodera, Jo-Ann Goodwin, Deb Grabien, Nic Grabien, Jed Hartmann, Tim Holman, Nick Itsou, John Jarrold, Katharine Kerr, Ulrike Killer, M. J. Kramer, Jo und Phil Knowles, Mark Kreighbaum, LES …, Bruce Lieberman, Mark McCrum, Joshua Milligan,
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