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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Autoren: Tad Williams
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wieder um. » !Xabbu , du bist’s! Ich meine, du, wie du wirklich bist!«
    Er lächelte, aber mit einem eigenartigen Ausdruck, so als ließe er etwas bewußt unausgesprochen. »Ich bin es, Renie. Geht es dir gut?«
    »Aber … aber du hast ja deinen richtigen Körper!« Sein richtiger Körper war allerdings das einzige, was er hatte, denn er hockte vollkommen nackt neben ihr. »Sind wir … sind wir wieder zurück? Zuhause?« Sie setzte sich abermals auf, diesmal ein wenig langsamer. Der seltsame schwarze Gipfelkranz umgab sie immer noch, aber die Linien waren anders – selbst die Oberfläche der Steine war anders, eigentümlich glatt und eckig. Doch der größte Unterschied zu vorher war, daß die riesige menschenartige Gestalt, die das Tal ausgefüllt hatte, verschwunden und nur ein leerer Krater zwischen den Gipfeln zurückgeblieben war, ein Krater, der an einer Seite aufgebrochen war, so daß man in der Richtung einen freien Blick ins Weite hatte.
    Es war keine Sonne zu sehen, und doch machte der eigentümlich bekannte Grauton am Himmel den Eindruck einer Morgendämmerung. Verwirrt vom Anblick des veränderten Berges schaute Renie an sich selbst hinunter und sah, daß auch sie nackt war wie ihr Freund. Außerdem war sie wieder eine Frau. »Liebe Güte, was geht hier vor?« Trotz !Xabbus unbekümmerter Nacktheit legte sie die Arme über ihre Brüste. »Bin ich …?«
    »Ja.« Sein trauriges Lächeln kehrte wieder. »Du siehst wie die Renie aus, die ich einst kennenlernte.«
    »Nur mit weniger an. Was ist passiert? Wo sind die andern?«
    »Die meisten sind nicht da, wo, weiß ich nicht. Nur …« Er streckte die Hand aus.
    Renie drehte sich um. Ein paar Meter hinter ihr, im Schatten desselben Felsens, in dem auch sie saßen, und doch wie durch eine dicke Glasscheibe getrennt, lagen zwei unbewegte Gestalten. Die eine war der goldlockige Achillessim von Orlando Gardiner, immer noch in seiner zerschlissenen griechischen Tracht. Die andere, die zusammengekrümmt über seiner Brust lag, als wäre sie eine Schiffbrüchige und er das Stück Treibholz, das ihr das Leben gerettet hatte, war ein nacktes Mädchen, das Renie noch nie gesehen hatte.
    »O Gott.« Renie stemmte sich hoch, aller Flauheit im Magen zum Trotz, und ging eilig zu den beiden hinüber. Sie kniete sich hin und berührte Orlandos Arm, sein Gesicht; beides war kalt und hart wie Stein. Ihr traten Tränen in die Augen, doch sie wischte sie weg und strengte sich an, einen klaren Gedanken zu fassen. Das Mädchen, das noch am Leben war, klammerte sich an den leeren Sim und schluchzte beinahe lautlos vor sich hin, und das vermutlich schon ziemlich lange. Renie berührte sie sanft. »Bist du … bist du Fredericks?«
    Das Mädchen klammerte sich nur noch fester an den leblosen Sim. Tränen quollen unter ihren fest zugepreßten Lidern hervor und kullerten über ihre Wangen auf Orlandos Brust. Als Renie das sah, löste sich in ihr eine lange gehaltene Anspannung, und sie fing ebenfalls zu weinen an, heftig und hemmungslos. Sie fühlte, wie sich !Xabbus Hand auf ihre Schulter legte, aber sonst versuchte er nicht, sie zu trösten. Renie weinte eine lange Zeit.
     
    Als sie sich wieder einigermaßen gefaßt hatte, richtete sie sich erschöpft auf. Fredericks ließ sich nicht von Orlandos leerem Sim wegziehen, und Renie sah keinen Anlaß, darauf zu dringen. Sie waren an einem wüsten Ort, wo sie die einzigen Menschen zu sein schienen. Die Riesengestalt des Andern, die überlebenden Gralsbrüder und ihre übrigen Kameraden waren alle verschwunden.
    »Was ist passiert?« fragte sie !Xabbu . »Zum Schluß war alles … irgendwie der komplette Irrsinn.«
    »Ich weiß es nicht. Ich schäme mich sehr, daß ich mich so gehenließ.« Sein Blick war düster und kummervoll. »Ich dachte, ich hätte Angst, als ich den Riesen hier auf diesem Berg erblickte, aber was danach kam, war schlimmer. Ich verachte mich selbst, daß ich zu einem Zeitpunkt, wo du mich brauchtest, so vor Schreck gelähmt war, aber das ändert nichts an meiner Auffassung. Ich glaube, daß wir wirklich dem Allverschlinger begegnet sind.«
    »Sag doch nicht sowas.« Renie erschauerte. »Sowas dürfen wir nicht mal denken. Alles hat eine Erklärung, auch wenn sie unangenehm ist. Der Riese war das Betriebssystem – das hat Martine auch gesagt –, und der Mörder in der Quan-Li-Maske hat versucht, es sich zu unterwerfen.«
    »Das verstehe ich«, sagte !Xabbu . »Und ich gebe dir recht. Aber ich weiß auch, was
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