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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Autoren: Tad Williams
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Opfer zu, aber sie waren noch weit weg. Alles ging zu Bruch. Alles war hoffnungslos gescheitert.
    »Ava?« schrie Paul in die Luft. »Warum hast du uns hergebracht? Was hast du mit uns gemacht …?«
    Wie von seinem Verzweiflungsschrei gerufen erschien aus dem Nichts die Engelfrau. Ihr flackerndes und verwackeltes Bild wiederholte sich endlos auf allen Seiten, und ihre tausend klagenden Stimmen schrien alle zugleich.
    »Halt! Du bringst ihn um!«
    Paul hatte keine Ahnung, wem der Ruf galt und ob es Orlando war, um den sie bangte, der auf dem Berg liegende Riese oder vielleicht sogar Paul selbst.
    Der vervielfachte Engel schrie abermals, und der Schrei fand ein Echo in der erderschütternden, dumpfen Stimme des Andern. Der über ihnen hängende Riesenarm zitterte einen Moment, dann fiel die Hand nach unten wie ein aus der Umlaufbahn ausbrechender Mond und krachte auf Renie, !Xabbu , Orlando und die übrigen nieder. Der Boden ruckte, als ob eine Bombe explodiert wäre, und Paul wurde von den Füßen geschleudert. Ein Augenblick hallender Stille folgte. Die Engelfrau und ihre sämtlichen Geisterbilder verharrten mit offenen Mündern und schreckensweiten Augen in der Luft. Der von der Hand aufgewirbelte Staub legte sich langsam wieder.
    Orlando, Renie – sie sind … weg …, war alles, was Paul noch denken konnte, dann erstarrte und zersplitterte alles, tausend Engel zerstoben, ein zerschmettertes Buntglasfenster, das in glitzernde, fliegende Scherben sprang, und er …
    Zersplittert … stürzende Glasscherben … zersplittert …
    Er war in dem schwarzen Turm, und alles geschah noch einmal, war nicht mehr aufzuhalten, zu spät …
     … Das Zerbersten der Scheibe und der Aufschrei von tausend und abertausend Avas, und dann die Vögel, wie sie aufwirbelten wie bunte Rauchwolken, die Vögel und die Scherben und die Stimmen entsetzter Kinder …
    Das Glas zersplitterte, und Paul zersplitterte mit, zerbrach und zerstreute sich immer weiter, damals wie jetzt, bis die Bruchstücke zu klein wurden und seine Gedanken keine Verbindung mehr hielten.
     
     
    > Einen Moment lang waren Renie und !Xabbu in dem großen goldenen Grabsaal der Gralsbruderschaft gewesen. Im nächsten Moment war die Welt vollkommen aus den Fugen geraten.
    !Xabbu packte sie, als zahllose identische Schattenbilder von ihnen in alle Richtungen sprangen. Das Grab und der Berg waren irgendwie eins geworden – die übriggebliebenen Gralsherren, Orlando, Paul, selbst der geheimnisvolle, riesenhafte Andere, alle waren in denselben wellenden, flirrenden Raum versetzt.
    »Alles bricht zusammen!« schrie Renie.
    Ein mächtiges Ungeheuer mit einem Falkenkopf und irrsinnig funkelnden blauen Augen stürzte sich auf Orlando. Irgendwo in der Nähe kreischte Martine. Wohin Renie auch schaute, überall waren Freunde und Feinde vervielfacht worden wie endlose Ketten von Papierfiguren.
    Allein zu begreifen, was da geschah, war völlig aussichtslos, und es anzuhalten erst recht, aber Orlando war in höchster Lebensgefahr, soviel war Renie klar. Doch als sie mit !Xabbu im Schlepptau zu ihrem bedrohten Freund hineilte, begann der Andere, der groß war wie ein ganzer Gebirgszug, sich in Krämpfen zu winden. Sein seismisches Schmerzensgebrüll warf sie und !Xabbu auf die Knie.
    Aus dem schattenhaften Riesengesicht schälte sich etwas anderes heraus, raubtierhafte Züge, dunkel, verzerrt und böse. Ein großes gelbes Auge ging auf.
    »Hallo, Großvater«, dröhnte eine Stimme. Renie erkannte sie und stieß einen Schreckensschrei aus.
    »Er ist es! Der Mörder!«
    Jedes Wort, das die Bestie sprach, ließ den Boden erbeben. Renie griff nach !Xabbu , doch ihr Freund lag langgestreckt da, das Gesicht gegen den schwarzen Grund gepreßt, der irgendwie auch der Fußboden des goldenen Saales war.
    »Steh auf!« schrie sie, obwohl sie selber kurz vorm Verzweifeln war und sich kaum mehr aufrecht halten konnte. »Steh auf! Wir müssen Orlando helfen.«
    »Es ist der Allverschlinger«, ächzte !Xabbu . Er drückte sich an den Boden, als wäre dieser das Deck eines im Sturm kenternden Schiffes. »Jetzt holt er uns alle. Das ist das Ende!«
    Renie hätte am liebsten geweint. »Steh auf! Das ist nicht dein Allverschlinger, das ist dieses Quan-Li-Monster – es will das System in seine Gewalt bringen!« Sie packte ihn am Arm, um ihn in die Höhe zu ziehen, und versuchte sich dabei an die Geschichte zu erinnern, die er ihr einmal erzählt hatte. »Du hast mir mal gesagt, das Stachelschwein
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