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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe
Autoren: Gabriela Jaskulla
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und Schuck beeilten sich, das improvisierte Geschirr für Denver zu flicken, der ungeduldig mit den Hufen scharrte. Und auch Leo und Schorsch traten unruhig hin und her. Ein feiner Nieselregen hatte eingesetzt. Endlich war es so weit. Jörg wurde auf den Landauer gesetzt, so bequem es eben ging, Anne neben sich, die ihn fest und entschlossen in den Arm nahm. Schuck stieg auf den Kutschbock, machte Platz für Hanno und Julia. Hilda saß wieder auf Denver. Julia sah, daß seine Flanken zitterten.
    »Und ab dafür!«
    Leo und Schorsch trabten erleichtert los, Denver verfiel sogar in einen steifbeinigen Galopp.
    »Hilda, reite du nur voraus!« rief Hanno. »Sag Mady Bescheid!«
    Und in jagender Fahrt ging es zurück übers Eis. Die Lichter von Stiftsdorf tauchten auf, der Anleger. Julia fühlte ihr Gesicht nicht mehr, so kalt war ihr, sie hatte irgendwo ihre Mütze verloren, und die Haare fielen ihr naß ins Gesicht. Hanno schaute konzentriert nach vorn, verlor mit den Zügeln keinen Augenblick den Kontakt zu den Pferden. Jetzt zählte jede Minute. Schuck schwieg. Schaute beklommen zu Hanno, zu Julia. Es war klar, was er dachte. Er hatte dem unerfahrenen Jörg angeboten, diese Bestellung mit Hunderten
von Lexikonbänden von der großen Insel abzuholen, wo die Kisten seit Wochen lagerten. Er kannte Jörgs Ungeduld und wußte, daß der Buchhändler darauf brannte, die kostspieligen Bände auszustellen und zu verkaufen - und er wußte auch, daß Hanno die Bitte Jörgs längst abgelehnt hatte. Das Risiko war einfach zu groß; dem Februarwetter war nicht zu trauen. Aber Jörg hatte anscheinend nicht lockergelassen...
    Jörg hinter ihnen im Landauer stöhnte leise. Anne zog die Decken noch fester.
    »Minarek!« sagte Schuck leise, »ich wollte dir bloß...«
    »Schon gut!« fiel ihm Hanno ins Wort. »Später!«
    »Dafür sind meine Pferde ja auch hin.«
    »Ach was, Schuck, die tauchen schon wieder auf.«
    Wie sicher Hanno jetzt sprach, wie fest seine Stimme war! Undenkbar, daß das der Stammler aus der Gemeindeversammlung war, der Mann, der verzweifelte, weil er nicht akzeptiert wurde, der Mann, der sie unter einer Straßenlaterne anschrie, schrie aus Unsicherheit und aus Zorn.
    Sie hatten Stiftsdorf erreicht, und Julia konnte nicht anders: Sie preßte Hannos Arm vor Erleichterung. Der schaute sie an, und da war sie wieder, ganz plötzlich, die alte Wärme, die Ruhe. Sie fuhren bis zu Runges Haus. Still lag die Buchhandlung da, die Fensterläden geschlossen. Hilda stand mit Denver vor der Tür.
    »Ich wußte nicht… Es ist offen, aber Mady antwortet nicht, wer weiß, wie die Kinder reagieren, und ich wollte nicht …«
    Sie hoben Jörg von der Kutsche, der jetzt ganz rot und heiß im Gesicht war, aber trotzdem zitterte. Hanno trug ihn mehr ins Haus, als daß er ihn stützte.
    »Los, ins Schlafzimmer, das ist da oben.« Hilda ging vor, machte Licht.
    Sie polterten die Treppe hinauf, Hilda stieß eine Tür auf,
erstarrte in der Bewegung - zu spät. Als Hanno mit Jörg im Arm hinter ihr ins Zimmer trat, gefolgt von Julia und Anne, bot sich ihnen folgendes Bild: Auf einem völlig zerwühlten Bett lag Mady in tiefem Schlaf. Malte, ebenso nackt wie sie, hielt sie im Arm. Weinflaschen auf dem Boden, glimmende Kerzen, kurz vor dem Verlöschen. Alkoholdunst hing im Raum. Malte war wach, grinste blöde und betrunken, versuchte sich aufzurichten, ließ es aber gleich wieder und sagte statt dessen:
    »Na, so was!«

16
    Alle Tiere und Menschen waren versorgt - in dieser Reihenfolge. Jörg war bei Anne einquartiert, der Arzt verständigt. Denver trockengerieben und warm zugedeckt, Schuck beruhigt, betrunken gemacht und nach Hause geschickt. Und nun sie. Sie beide. Heimgekehrt zueinander. Einander zugewandt, Seite an Seite, Gesicht an Gesicht. Seine Hand auf ihrer Hüfte, sein Atem auf ihrer Stirn. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Es war selbstverständlich. Es war, wie es sein mußte. Eine Liebe wie Johanniskraut, gelb leuchtend, wenn sie die Augen schloß - und heilend.
    Julia fragte sich, woher Hanno auf einmal diese Sicherheit nahm, mit der er sie geküßt hatte, gleich unten, auf der Straße, vor Hilda und den anderen. Ein eindeutiger Kuß, keine Einladung, eine Forderung. Hatte ihm das bestandene Abenteuer dieses Selbstvertrauen gegeben? Wußte er nicht, daß sie keinen Helden brauchte, keinen Ritter ohne Furcht und Tadel?
    Sie vielleicht nicht, dachte sie gleich darauf - aber er, er brauchte das. Er brauchte
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