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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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seines Körpers zu verhindern. Seine Augenlider flatterten. Sein teigiges Gesicht war blutleer.
    Er versuchte, sofort wieder aufzustehen und wehrte störrisch Ann Kathrins und Wellers Hilfe ab, doch dann knickte er in den Knien ein.
    Der Schäferhund sprang in der Küche gegen die Tür und jaulte.
    Ann Kathrin sah die Badezimmertür halb offen stehen. »Ich hole Ihnen ein Glas Wasser«, sagte sie und verschwand im Bad. Sie ließ Weller nur für wenige Sekunden mit Peter Henning alleine. Weller hielt Hennings Kopf.
    Sie rieb sich die Augen und nieste zweimal heftig. Ich bin neuerdings gegen irgendetwas allergisch, dachte sie und schämte sich fast dafür, so als sei es unanständig, eine Allergie zu entwickeln.
    Als Ann Kathrin aus dem Badezimmer zurückkam, kniete Henning bereits auf Weller und würgte ihn.
    »Ihr habt sie auf dem Gewissen! Ihr Schweine! Ich mach euch alle fertig! Mir ist jetzt sowieso alles egal!«, keuchte Peter Henning.
    Es war Weller peinlich, doch Ann Kathrin musste eingreifen. Sie packte Hennings rechte Hand, riss sie von Wellers Hals auf Hennings Rücken und legte ihm Handschellen an. Kaum hatte sie den Mann gebändigt, war ihr das Ganze auch schon unangenehm. Wie sah das denn im Bericht aus, wenn sie dem Vater des Mordopfers Handschellen anlegen musste, um ihm die Nachricht überbringen zu können?
    Sie musste an Paul Schrader denken.
Ich fürchte, das wird für uns keine besonders angenehme Situation werden.
Da hatte er wohl mächtig untertrieben.
    Auf Ann Kathrins Bitten ging Weller, um runterzukommen, vor die Tür und rauchte dort eine Zigarette. Er hielt die Tür geöffnet und hörte zu, wie Ann Kathrin sich von Peter Henning beschimpfen ließ. Sie war eine geduldige Frau. Jeder andere Kollege hätte sich das verbeten. Doch Weller kannte ihre Methode genau. Sie ließ die Leute erst mal reden, und in einem Wutanfall gaben sie besonders viel von sich preis. Jetzt, so kurz nach der Tat, kochten die Emotionen besonders hoch, und dann war die Chance, dass jemand etwas ausplapperte, das er eigentlich geheim halten wollte, groß.
    Wenn nur die Hälfte der Informationen richtig war, die Henning in einem Wortgewitter auf Ann Kathrin einprasseln ließ, dann hatte er allen Grund, wirklich sauer zu sein. Angeblich hatte er bereits Anfang März Anzeige bei der Norder Polizei erstattet, weil seine Tochter bedroht wurde.
    »Ich dachte schon, ihr steckt mit der Russenmafia unter einer Decke!«, brüllte er. »Schmieren die euch, oder was? Wer von euch steht alles auf ihrer Gehaltsliste?«
    »Ich jedenfalls nicht«, sagte Ann Kathrin Klaasen so ruhig wie möglich, »und mein Kollege Weller auch nicht. Für den lege ich gerne meine Hand ins Feuer. Welchen unserer Kollegen verdächtigen Sie denn, von der Mafia geschmiert worden zu sein, wie Sie das so schön ausdrücken?«
    Henning schnaufte und scharrte mit dem Fuß, wie ein Stier, der gleich losgehen will. Er drückte sein Kinn auf die Brust und schielte Ann Kathrin mit nach oben verdrehten Augen an.
    »Sie war ein tolles Mädchen, meine Mareike. Ein Engel! Und ihr, ihr habt sie denen zum Fraß vorgeworfen! Ihr habt sie geopfert!«
    »Was hätten wir denn Ihrer Meinung nach tun sollen, Herr Henning?«
    Er lachte bitter. Die wenigen Haare an seinen Schläfen standen jetzt ab, als seien sie elektrisch.
    »Ihr hättet sie hoppnehmen müssen! Ihr hattet doch alles! Namen, Adressen, alles! Was brauchtet ihr noch?«
    Weller sah den Schäfchenwolken zu, die der Wind in Richtung Holland trieb. Dann schloss er einen Moment die Augen. Die Sonne war angenehm auf der Haut, und er fragte sich, warum er diesen Job eigentlich machte. Was hatte ihn dazu getrieben, Kommissar zu werden? Warum musste er sich täglich mit diesem Dreck beschäftigen? Entweder menschlicher Abfall oder Akten, um was anderes geht es doch nicht, dachte er.
    Er rieb sich die Stelle am Hals, die Peter Henning gerade noch
gewürgt hatte. Es wurmte Weller, dass es ihm nicht gelungen war, sich allein zu befreien. Ann Kathrin hatte Henning ohne große Anstrengung unter ihre Kontrolle gebracht.
    Sie wird jeden Respekt vor mir verlieren, wenn das so weitergeht, dachte Weller. Ich muss jetzt irgendwie die Handlungsführung übernehmen.
    Er ließ die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie auf dem Steinboden aus. Bevor er ins Haus zurückging, bückte er sich und hob die Kippe auf. Er wollte sich nicht noch vorwerfen lassen, eine Umweltsau zu sein. Seit die Freiräume für Raucher auch in Ostfriesland
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