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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ihr zurückkommen, sagte sie, und sie wusste auch genau, wann. »Morgen Nachmittag zum Kaffeetrinken um fünfzehn Uhr. Er ist immer pünktlich.«
    Nein, wo ihr Sohn sich im Moment aufhalte, wisse sie nicht. Wahrscheinlich in seinem Atelier. Er male doch ständig neue Bilder, die kein Mensch haben wolle.
     
    Rupert stand ziemlich belämmert da. Er schrieb keinen Bericht über die Beobachtung der Sängerin im Körnerviertel. Er hatte erleben müssen, wie Gunnar Peschke und Mattias Omonsky fröhlich von ihr an der Tür verabschiedet wurden und danach gemeinsam in ein Taxi stiegen, während die Liedermacherin sich, ohne dass ihr irgendein Unheil geschehen war, in ihr Haus zurückzog.
     
    Als Weller in den Distelkamp 13 kam, stand dort Eike vor der Tür. Er fragte, was mit seiner Mama sei, sie habe sich mit ihm verabredet, sei aber nicht gekommen.
    Jetzt wusste Weller, dass er sich wirklich Sorgen machen musste.
     
    Heiner Zimmermann hatte Wasser in die Wanne gelassen und prüfte jetzt, ob es nicht zu heiß für Ann Kathrins Haut war. Es duftete nach Arnikaöl. Er saß auf dem Toilettendeckel, die Pistole spielerisch zwischen den Händen, während sie in die Wanne stieg. Er sah ihr zu. Er hatte ihr Gesicht mit einem kühlenden Gel eingerieben, um eine Schwellung zu verhindern. Er hatte keine Lust mehr, Zeit zu verlieren. Am liebsten hätte er alles noch heute Nacht hinter sich gebracht.
    Es stand alles bereit. Brandbeschleuniger. Benzin. In der Garage parkte der BMW X 3 , den Roswitha Keller ihm vererbt hatte.
    »Du machst doch jetzt keine Scherereien mehr, oder?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Okay. Dann sag ich dir genau, wie es weitergeht. Du wirst dir jetzt die Beine rasieren und die Möse. Dann wirst du dir die Haare rot färben.« Er überlegte noch einmal: »Oder meinst du, es sieht besser aus, wenn du dir auch die Schamhaare rot färbst, so als würden die Flammen aus der Urmutter hervorquellen?«
    »Ja«, sagte sie, »das finde ich eine gute Idee. Also ich würde es genau so machen.«
    Er staunte. Nahm sie ihn auf den Arm? Sollte das ein Witz sein oder spielte sie ab jetzt wirklich mit?
    »Kann ich mir die Beine hier im Wasser rasieren?«, fragte sie. »Das mache ich sonst auch immer so.«
    Das war ihm egal. Er reichte ihr, froh, dass sie nicht herumzickte, das Rasierzeug.
    Sie schäumte sich zunächst das rechte Bein ein, dann begann sie, es langsam, sorgfältig mit der Rasierklinge darüberzuschaben. Plötzlich verrenkte sie sich merkwürdig. »Da ist eine Stelle«, sagte sie, »da komme ich nicht dran.«
    Sofort stand er vom Klodeckel auf, um ihr behilflich zu sein. Er nahm den Wegwerfrasierer und setzte die Klinge an ihrer Wade an. Im gleichen Moment traf ihr Schienbein sein Gesicht. Er verlor die Waffe. Sie plumpste ins Wasser. Ihr Unterkörper schnellte aus dem Wasser hoch. Sie nahm seinen Kopf in eine Beinschere und zog ihn unter Wasser.
    Er zappelte herum. Für einen Moment spürte Ann Kathrin den Impuls, ihn so, zwischen ihren Schenkeln, mit dem Kopf unter Wasser, zu ersticken. Er hatte keine Chance. Es würde nicht lange dauern. Er schrie schon unter Wasser. Dicke Luftblasen blubberten hoch.
    Doch dann, als sein Körper sich schon nicht mehr bewegte, ließ sie ihn los. Sie hatte in beiden Beinen einen Krampf. Sie stieß den schweren Mann von sich. Er fiel vor der Badewanne auf den Boden.
    Ann Kathrin brauchte einen Moment, um aus der Wanne herauszukommen. Ihr tat alles weh. Trotzdem hätte sie schreien können vor Freude.
    Sie nahm die Pistole an sich und wickelte sich in ein Badetuch.
    Heiner Zimmermann rührte sich nicht.
    Sie beugte sich zu ihm herunter. Hatte sie ihn umgebracht?
    Sie begann mit einer Herzmassage und gab ihm Mund-zu-Mund-Beatmung. Es dauerte gar nicht lange, da japste er wieder nach Luft.
    Sie zerrte ihn aus dem Badezimmer durch den Flur zur Eingangstür. Sein Körper schleifte schwer über den Boden.
    Sie brauchte ein Telefon. So etwas schien es im ganzen Haus nicht zu geben.
    Die Tür war abgeschlossen und von innen mit einer Kette verriegelt. Die Kette war kein Problem, doch Ann Kathrin fand den Schlüssel nicht. Sie entschied sich für eine andere Möglichkeit. Sie riss einen der gelben Vorhänge zur Seite, öffnete das Fenster und stieg nach draußen. Dann brüllte sie in die Vorgärten: »Mein Name ist Ann Kathrin Klaasen. Ich bin Hauptkommissarin aus Aurich, Kommissariat eins. Bitte rufen Sie über den Notruf die Polizei an! Wählen Sie sofort 110 ! Ich habe
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