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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Schutz des Staates.«
    Endlich hatte Ann Kathrin Oberwasser. Sie stellte den linken Fuß vor den rechten und nahm eine lockere Haltung ein, so als würde sie gerade mit ihm an der Theke stehen und eine Altbierbowle trinken. »Na klar«, sagte sie. »Das ist immer besonders
originell, wenn sich die Straftäter auf das Recht berufen, gegen das sie verstoßen haben. Du hast den Menschen das Leben genommen, und jetzt nehmen dir die Menschen deine Bilder. Dieses ganze Haus hier wird unter den Hammer kommen, falls es überhaupt jemand kauft und bereit ist, darin zu wohnen. Vielen Leuten wird das gruselig vorkommen.«
    »Wer will das Haus verkaufen? Es ist abbezahlt und … «
    »Der Prozess gegen dich wird teuer werden. Dazu kommen eine Menge Forderungen auf dich zu. Entschädigung der Hinterbliebenen und … Erst wird man natürlich an dein verfügbares Vermögen gehen, aber dann werden sehr schnell die Immobilien versteigert, das ist immer so.«
    Erneut holte er aus, um sie zu schlagen. Er war vor Wut so außer sich, dass er nicht mal mehr darauf achtete, ihre Haut nicht zu verletzen.
    Sie wich dem Schlag nicht aus. Sie sprang sogar hinein und erwischte ihn mit dem Knie zwischen den Beinen. Er klappte zusammen und jaulte auf. Die Pistole rutschte über den Parkettboden, hinein in die Sandecke.
    Ann Kathrin trat zweimal zu. Beim ersten Mal versuchte sie, seine Leber zu erwischen, beim zweiten Mal seine Schläfe. Sie traf nicht genau, doch sie landete beim ersten Mal einen harten Körpertreffer, und beim zweiten Mal knallte ihre Hacke gegen seinen Hinterkopf.
    Er fiel auf den Boden und robbte zur Pistole.
    Sie war mit einem Sprung schneller da als er, aber wie sollte sie die Waffe aufheben? Sie schoss sie einfach wie einen Fußball in die andere Zimmerecke. Dann versuchte sie, auf seine Hand zu springen, um ihm die Finger zu brechen, doch er bekam ihren Fuß zu fassen, drehte ihren Fuß herum und brachte sie zu Fall. Da sie sich mit den Händen nicht abfedern konnte, stürzte sie übel. Der Schmerz jagte wie ein dunkler Blitz durch ihren Körper. Es war, als würden ihre Haarspitzen brennen.
    Dann rannte er an ihr vorbei zur Beretta, hob sie auf und richtete sie wutentbrannt auf ihren Kopf. Er atmete schwer. Es dauerte eine Weile, bis er wieder richtig Luft bekam.
    Zwischen den beiden war so etwas wie eine Kampfpause eingetreten. Keineswegs ein Waffenstillstand.
    »Jetzt liegst du ganz ruhig da«, sagte er, »weil du denkst, noch eine falsche Bewegung und er bringt mich um. Irrtum. Ich werde dich sowieso umbringen. Aber wenn dein Körper jetzt nicht mehr makellos ist, dann hast du noch eine andere auf dem Gewissen. Steh auf, damit ich dich anschauen kann.«
    Ann Kathrin blieb auf dem Boden liegen und rührte sich nicht. Mit dem Fuß drehte er sie um. »Wenn das in deinem Gesicht blaue Flecken werden, können wir es vergessen. Dann wirst du nicht als Kunstwerk enden, sondern auf der Müllkippe.«
    Er griff in ihre Haare und schleifte sie über den Boden ins nächste Zimmer. Carolin Haase. Die Wassernixe mit der Krone.
    »Und was hast du mit mir vor?«, fragte Ann Kathrin. »Darf ich es vorher erfahren oder ist es ein Geheimnis?«
    Er kam sich großzügig dabei vor. Er ließ es zu, dass sie aufstand und sich selbständig die Treppe hoch in die oberen Räumlichkeiten bewegte.
    Die Skizzen waren schon fertig. Der Leuchtturm in Pilsum, eingeschlossen in einen Feuerkreis, vom Meer aus gesehen, von Land aus betrachtet und aus der Vogelperspektive.
    Ich wusste es, dachte sie. Eine erhöhte Stelle in Ostfriesland. Eine Windmühle, eine Kirchturmspitze oder ein Wahrzeichen, wie der Pilsumer Leuchtturm.
    »Du kannst nicht entkommen«, sagte sie. »Wir wissen längst, dass du der Täter bist. Deine Verhaftung ist nur noch eine Frage der Zeit.«
    Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Er nickte. »Ihr
habt lange gebraucht, und ich wette, ich kann auch noch mein viertes Element in Ruhe beenden.«
    »Ja«, sagte sie, »vielleicht. Aber du kannst nicht ungeschoren davonkommen.«
    »Aber das will ich doch gar nicht. Hast du denn überhaupt nichts begriffen? Mein Lebenstraum wird sich erfüllen nach der Verhaftung. Nach der Verurteilung. Nach dem Prozess. Das alles gehört doch mit dazu.«
    »Wie darf ich das denn verstehen? Du hast gar nicht vor, zu entkommen?«
    »Natürlich nicht. Ich bin doch kein Verbrecher, der sich für seine Taten schämt. Ich arbeite so lange wie es geht, und dann, wenn ihr mich eurer gerechten Strafe
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