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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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zu werden. Er wollte in ihren Augen nicht zum Schwächling werden. Zu gern wäre er ihr Beschützer gewesen. Aber er wusste nicht, wie er diese Stellung erringen sollte. Sie schien ihm wesentlich gefasster als er selbst es war.
    Die Familie Henning wohnte in einem neuen Einfamilienhaus, nicht weit vom Deich entfernt, mit gepflegtem Vorgarten. Mindestens hundert Tulpen reckten ihre weißen, lila, roten und gelben Köpfe der Sonne entgegen. Die Eingangstür war zur Hälfte aus milchigem Glas. Ann Kathrin sah sofort, dass jemand nachträglich ein gusseisernes Gitter auf die Tür montiert hatte.
    Bevor sie klingeln konnte, kläffte drinnen ein Hund los.
    Sie hörte, dass innen mindestens drei Ketten von der Tür gelöst wurden, bevor jemand den Schlüssel im Schloss drehte. Zunächst konnte sie nur den Schattenumriss eines massiven Körpers erkennen.
    Die Tür wurde nur einen Spalt geöffnet, dann sah sie Peter Henning, den stiernackigen Vater des Opfers. Er war gerade erst fünfzig geworden, hatte aber schon eine Vollglatze. Er hielt seinen Schäferhund am Halsband fest. Der Hund bellte und fletschte die Zähne. Ann Kathrin zweifelte keine Sekunde daran, dass der Hund zubeißen würde, wenn sein Herrchen ihn losließe.
    Er musterte Weller und Ann Kathrin misstrauisch. Ann Kathrin
registrierte sofort, dass der Mann einen Fuß gegen die Tür stemmte, um keinen ungebetenen Besuch hereinzulassen. Hinter ihm im Flur waren Spiegel an der Wand angebracht, darin konnte Ann Kathrin sehen, dass neben der Tür ein Baseballschläger stand.
    »Mein Name ist Ann Kathrin Klaasen. Ich bin Hauptkommissarin bei der Kripo in Aurich. Das ist mein Kollege, Kommissar Frank Weller.«
    Peter Henning öffnete beim Sprechen kaum die Lippen. Trotzdem hatten seine Worte einen aggressiven Unterton: »Ach, jetzt kümmern Sie sich endlich? Na, das wird ja auch Zeit.«
    Ann Kathrin wollte nur ungern hier draußen buchstäblich zwischen Tür und Angel die Todesnachricht überbringen. Gleichzeitig hatte sie wenig Lust, ins Haus zu gehen. Die ganze Situation wirkte feindselig auf sie.
    Sie überlegte noch, wie sie es am besten sagen konnte, da zischte Peter Henning: »Glauben Sie ja nicht, dass ich die Dienstaufsichtsbeschwerde zurücknehme! Wir sind ordentliche Steuerzahler und gesetzestreue Bürger. Wir haben ein Recht auf Schutz durch den Staat. Die letzten Wochen waren ein einziger Albtraum für uns!«
    Der Hund kratzte mit den Pfoten an der Tür. Herr Henning riss ihn zurück und nahm das Halsband enger, sodass das Tier gewürgt wurde.
    »Wir haben uns sogar diese scharfe Töle hier angeschafft, und wenn ich was hasse, dann sind es Schäferhunde!«, schimpfte Henning.
    »Bitte bringen Sie den Hund in ein separates Zimmer, damit wir in Ruhe miteinander reden können«, sagte Ann Kathrin.
    Herr Henning nickte und schloss die Tür, um Ann Kathrins Aufforderung nachzukommen. Er brachte den Hund in die Küche, wo er zwar keine Ruhe gab, aber zumindest waren Weller und Ann Kathrin jetzt vor seinen Zähnen sicher.
    Herr Henning öffnete erneut die Tür und ging dann einfach ins Wohnzimmer voran. Jetzt sah auch Weller den Baseballschläger neben der Tür stehen und die drei Ketten, mit denen die Tür gesichert war. Hier fühlte sich wirklich jemand bedroht …
    Die Möbel waren zu groß für diesen Raum, fand Ann Kathrin. Drei klobige Sessel und eine monströse Couch mit fünf Sitzen standen um ein altes Wagenrad herum, auf dem eine dicke, blank gewienerte Glasplatte lag. Direkt über dem Tisch hing noch ein Wagenrad. Es war zur Lampe umfunktioniert worden. Im wuchtigen Wohnzimmerschrank, Eiche rustikal, standen Porzellanfiguren als Buchstützen. Kleine Elfen oder Engelchen mit Flügeln und blonden Haaren. Alles staubfrei.
    Die Blätter der beiden Gummibäume in der Ecke glänzten wie lackiert. Jemand putzte hier gründlich und versorgte die Pflanzen, folgerte Ann Kathrin. Mareike?
    »Haben Sie das Schwein?«, fragte Peter Henning. »Ist der Spuk endlich vorbei?«
    Ann Kathrin schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Henning, es tut mir sehr leid. Aber ich muss Ihnen eine traurige Mitteilung machen … «
    Sie musste nicht weiterreden. Er wusste sofort Bescheid.
    Er taumelte einen Moment wie ein angeschlagener Boxer im Ring. Er suchte mit den Händen Halt in der Luft. »Mir wird schlecht«, hauchte er, und dann kippte er um.
    Ann Kathrin und Weller hielten den Zweizentnermann und ließen ihn vorsichtig auf dem Teppich nach unten gleiten, um einen harten Aufprall
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