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Oscar

Oscar

Titel: Oscar
Autoren: David Dosa
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unseren Kater erfahren als über die Krankheit, die das Leben dieser Patienten zerstört hat. Während Oscars Fähigkeiten ein Geheimnis bleiben, sind die ver-heerenden Auswirkungen der Demenz wenig geheimnisvoll.
    In den Vereinigten Staaten leben heute über fünf Millionen Menschen mit Alzheimer; weitere Hunderttausende leiden an weniger bekannten Formen der Demenz.
    In Deutschland sind über 700 000 Menschen an Alzheimer erkrankt; über 500 000 haben eine andere Form der Demenz.
    Da die Bevölkerung immer stärker altert, wird diese Zahl Schätzungen zufolge rasch in die Höhe schnellen, falls keine neuen Behandlungsmethoden entdeckt werden. Die Tragödie, die eine Demenzerkrankung darstellt, drückt sich aber nicht allein in der Zahl der betroffenen Patienten aus. Zu jedem Demenzkranken gehören mehrere Bezugspersonen, deren Leben sich ebenfalls entscheidend verändert.
    Seit kurzem gehören auch meine Frau und ich dazu, da bei meiner Schwiegermutter Demenz diagnostiziert wurde. Wie zahllose andere Menschen auf der ganzen Welt treten wir damit in eine ungewisse Phase unseres Lebens ein, in der es unsere Aufgabe ist, für jemanden mit dieser Krankheit zu sorgen. Diese neue Verantwortung kommt zu den vielen weiteren Aufgaben hinzu, die wir als Eltern, Ehepartner und Berufstätige haben. Wie werden wir wohl die zusätzliche Energie aufbringen, fragen wir uns. Wie können wir die Kraft finden, für eine weitere Person zu sorgen, die von uns abhängig ist – und doch gleichzeitig erwachsen? Ich habe zwar beruflich ständig mit Menschen zu tun, die vor denselben Problemen stehen, und ich habe ihre innere Stärke und ihren Optimismus stets bewundert, aber wenn so etwas in der eigenen Familie geschieht, ist es etwas anderes. Mit einem Mal wird es zur persönlichen Angelegenheit.
    Meine Frau hat viele leidige Telefongespräche mit Ärzten geführt, denen kaum etwas einfiel, um das immer schlechter werdende Gedächtnis ihrer Mutter zu unterstützen. Nach einem dieser Telefonate sah sie mich an und meinte: »Du hast bei deinen Interviews doch sicher was erfahren, das mir jetzt helfen kann!« Ganz so einfach ist das zwar nicht, denn jeder Fall ist anders, und alle Betreuer von Demenzkranken müssen ausprobieren, welche Lösung für ihre Situation am besten passt. Ein paar allgemeine Punkte kann ich aber dennoch anführen.

1 . Sorge für dich selbst
    Als Geriater habe ich zahllose Angehörige gesehen, die lange vor den von ihnen betreuten Demenzpatienten körperlich und geistig am Ende waren. Dafür gibt es gute Gründe. Für jemanden zu sorgen, ist eine Verantwortung, die vierundzwanzig Stunden täglich, sieben Tage pro Woche und zweiundfünfzig Wochen jährlich existiert. Auch wer sich noch so anstrengt, bekommt zur Belohnung keine Ruhepause, und die Pflege betagter Demenzpatienten ist körperlich ungemein fordernd. Das gilt auch für die psychische Belastung, die entsteht, wenn man einen nahestehenden Menschen so kämpfen sieht.
    Deshalb muss man sich unbedingt vor Augen halten, dass niemand lange Erfolg hat, wenn er sich auf sich allein verlässt. Man muss sich Hilfe holen, selbst wenn das letztendlich bedeutet, Vater, Mutter oder Ehepartner in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens oder einem Pflegeheim unterzubringen. Außerdem braucht man medizinische und emotionale Unterstützung, um die körperlichen und geistigen Strapazen zu überstehen, die eine solche Situation mit sich bringt. Eine gute Anlaufstelle ist die Alzheimer Gesellschaft (www.deutsche-alzheimer.de), die über örtliche Selbsthilfegruppen Auskunft geben kann.

2 . Sei einfach da
    Leichter gesagt als getan, denn es ist schwierig, trotz aller beruflichen und familiären Verpflichtungen genügend Zeit für einen Menschen aufzubringen, der am Ende seines Lebens steht. Viele unserer alltäglichen Tätigkeiten sind jedoch nicht so wichtig. Bei der Arbeit kann man sich meist vertreten lassen, und auch die Kinder werden sich nicht beschweren, wenn man sie einmal nicht zum Fußballtraining bringen kann. Tiere wie Oscar können uns mit ihrer Standhaftigkeit, ihrer Geduld und ihrer Präsenz allerhand lehren, denn sie müssen nirgendwo anders sein als dort, wo sie gerade sind. Wenn Oscar einen Patienten besucht, kümmert er sich nicht darum, wie viel Uhr es ist oder ob er lieber woanders sein möchte. Es ist ungeheuer wichtig, Zeit für Demenzkranke zu haben – selbst wenn man meint, die wüssten nicht mehr, wer man ist.

3 . Freu dich über kleine Siege, aber
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