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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub
Autoren: Tanja Pleva
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ausgesprochen, da wuchsen auch schon wieder seine Zweifel. Aber wenn er tief in sich hineinhörte, war er doch schon bereit. Er hatte seine verletzte Seele genug gepflegt und es war an der Zeit, unter Menschen zu gehen.
    Dr. Jäger schien erneut seine Gedanken zu lesen und nickte ihm aufmunternd zu.
    „Sam. Ich brauche Sie. Wir brauchen Sie. Ich bitte Sie inständig, sich einen Ruck zu geben.“ Peter Brenner, ein Holzklotz, der nur seine Arbeit im Kopf hatte und regelmäßig seine Schäfchen zusammentrommelte, hatte ihn das erste Mal, seit er für Europol arbeitete, um etwas gebeten. Natürlich hatte er sich auch ein paar Mal nach seinem Befinden erkundigt, aber die Gespräche waren immer kurz und knapp gewesen und hatten Sam das Gefühl vermittelt, dass er wie ein kaputter Motor betrachtet wurde, bei dem nicht nur ein paar Schrauben locker waren.
    „Willkommen zurück“, hörte er Peter Brenner sagen. „Geben Sie mir die genaue Adresse durch, ich lasse Sie in zehn Minuten abholen. Ich möchte, dass Sie sich unverzüglich einen Tatort ansehen.“
    Sam hob überrascht die rechte Augenbraue. „Was? Jetzt gleich?“ Er sah an sich herunter. Vertrauenswürdig sah er nicht gerade aus. „Wo ist denn der Tatort?“, fragte er vorsichtig. Doch Peter Brenner hatte bereits aufgelegt.
     
     

4.
     
     
     
    BARCELONA  Das Arts Hotel in Barcelona war ein modernes Gebäude aus Glas und Stahl und zeichnete sich durch Eleganz, Komfort und zeitgenössisches Design aus. Es lag direkt am Meer und Sam verspürte plötzlich die Sehnsucht nach Sand, Sonne und Salzwasser. Er war trotz der längeren Auszeit urlaubsreif. Ein rauschender Wasserfall am Eingang begrüßte die Gäste des Hotels, bevor sie in die mit einem weißen Kronleuchter und Hunderten von weißen Rosen geschmückte Lobby kamen.
    Er hatte sie kaum betreten, als ein uniformierter Beamte der Guardia Civil auf ihn zusteuerte, ihn ungeniert von oben bis unten musterte und schließlich zweifelnd fragte: „Sam O’Connor von …?!“
    „Europol, ja.“ Sam strich sich über sein unrasiertes Gesicht und steckte die Hände in die Hosentaschen, die so zerrissen waren, dass seine Fingerspitzen unten herausragten. „Ich bin eine Undercover Version.“
    „Folgen Sie mir“, sagte der Spanier unbeirrt und geleitete Sam zu den Fahrstühlen.
    Sam beobachtete die roten Digitalziffern, die die Stockwerke im Sekundentakt anzeigten, und fühlte sich, als würde er neben sich stehen. Die letzten drei Stunden waren wie ein zu schnell abgespulter Film an ihm vorbeigerauscht. Der Wagen, der ihn kurz nach dem Telefonat mit Brenner vor der Praxis abgeholt hatte, das Flugzeug, das er ohne seine Rolle Pfefferminzbonbons bestiegen hatte - eine neue Methode, die er für sich gefunden hatte, um die Reiseübelkeit loszuwerden -, die spärlichen Informationen über den Fall, das Landen auf dem zweitgrößten Flughafens Spaniens und die Fahrt durch die belebte Hauptstadt Kataloniens bis zum Eingang des Arts Hotels.
    Im vierunddreißigsten Stock angekommen, bahnte er sich einen Weg durch die im Gang stehenden neugierigen Gäste und Ermittlungsbeamten der spanischen Polizei zu dem Zimmer, in dem man bereits auf ihn wartete. Das modern eingerichtete Duplex Apartment hatte eine breite Fensterfront mit Blick auf den beleuchteten Jachthafen „ Port Olimpica“ , den weitläufigen Strand nach rechts und links und das tiefschwarze Meer, auf dem nur ein paar winzige Lichter von Schiffen in der Ferne auszumachen waren. Er trat zwei Schritte vom Fenster weg. Das Meer verschwand, als hätte man eine andere Kulisse davorgeschoben. Er sah jetzt sich und den spanischen Beamten, der ihn nach oben geleitet hatte und nun an der Wendeltreppe ungeduldig auf ihn wartete. Eine schmale geschwungene Holztreppe führte in den oberen Bereich des Duplex, wo sich nur das Schlafzimmer der Suite befand.
    Sam ließ sich Zeit. Er nahm schwerfällig eine Stufe nach der anderen. Das Gefühl wieder „bereit“ zu sein, war inzwischen ganz verschwunden. Ein dicker Kloß saß in seiner Kehle fest. Am liebsten wäre er auf dem Absatz wieder umgekehrt und hätte alles stehen und liegen gelassen.
    Die spanischen Kollegen hatten ihre Spurensuche zum größten Teil erledigt, und man wartete nur noch auf ihn, um schließlich mit der Säuberung und dem Abtransport der Leiche beginnen zu können.
    Die Treppe kam einer Bergbesteigung gleich, und als er schließlich die letzte Stufe erklommen hatte, stand er auf einem hellen weichen
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