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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub
Autoren: Tanja Pleva
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Teppich und das Erste, was er sah, war die Leiche einer nackten Frau.
    Ihre Haut war weiß und auf den ersten Blick schien sie unversehrt zu sein. Doch in ihren weit aufgerissenen Augen konnte Sam erkennen, dass diese Frau mit Grauen dem Tod ins Gesicht gesehen hatte. Eine Gänsehaut kroch ihm wie ein langes vielbeiniges Insekt den Rücken hinunter. Ihre Beine waren geschlossen und ihre Arme lagen entspannt neben ihrem Körper. Keine Spuren von Fesseln an Beinen oder Handgelenken. Dieses Stillleben machte auf ihn den Eindruck, als hätte der Täter versucht, symbolisch alles ungeschehen zu machen, wahrscheinlich aus einem Gefühl der Reue heraus. Eine emotionale Wiedergutmachung. Was wiederum bedeuten könnte, dass Opfer und Täter sich kannten.
    Sam betrachtete wieder ihr Gesicht, forderte sie im Stillen auf zu reden und dann schien es, als würden ihre Augen seinen Bewegungen folgen. Sam drehte sich abrupt weg, atmete tief durch. Hatte er plötzlich Halluzinationen? Er sah sich um und hoffte nicht, dass irgendjemand ihn beobachtet hatte.
    Auf dem Boden lagen Einkaufstüten mit verschiedenen Labels, teure Labels wie Gucci und Burberry. Der Inhalt lag verstreut im Zimmer herum. Wahrscheinlich hatte sie mit den Einkaufstüten nach ihrem Peiniger geschlagen und dabei waren die Kleidungsstücke durch die Gegend geflogen. Sam sah auf die Uhr. Es war acht Uhr abends. Er hörte jemanden leichten Schrittes die Treppe hochkommen.
    „Todeszeitpunkt liegt voraussichtlich zwischen drei und fünf Uhr nachmittags, Señor.“ Die spanische Gerichtsmedizinerin war von hinten an ihn herangetreten und stellte sich als Zita de las Herras vor. Sie hatte langes schwarzes Haar, das sie zu einem hohen Zopf gebunden hatte, einen etwas zu langen Pony, der ihr ständig in den Wimpern ihrer großen kaffeebraunen Augen hing und sie zum Blinzeln zwang und Sommersprossen auf einer kleinen formschönen Nase. „Der Ehemann und das Zimmermädchen haben sie so gefunden. War ihre erste Leiche, armes Ding.“
    „Was ist die genaue Todesursache?“
    „Wenn sie nicht diesen irren Blick hätte, könnte man glatt denken, sie würde schlafen, nicht wahr?! Aber sehen Sie sich das hier an.“ Sie reichte Sam ein paar Handschuhe und gab ihm ein Zeichen, ihr zu helfen die Leiche auf den Bauch zu drehen.
    Sam war gar nicht erbaut darüber, die Tote anzufassen, aber Zitas Blick ließ ihm keine andere Wahl.
    Sie drehten die Leiche gemeinsam auf die Seite, sodass erst jetzt das ganze Ausmaß der Tat sichtbar wurde. Sam gab einen Laut des Erstaunens von sich und sah Zita ungläubig von der Seite an.
    „Sie haben die Leiche aber auf dem Rücken liegend vorgefunden?“
    „Ja, und sie war zugedeckt mit einem weißen, frisch gebügelten Laken aus der hoteleigenen Wäschekammer.“
    Sam strich sich seine gewellten Haare zurück und überlegte, was das zu bedeuten hatte. Immerhin hatte der Täter sich die größte Mühe bei seiner Arbeit gemacht. Warum sollte man das nicht auf den ersten Blick sehen?
    „Er muss eine Art Bolzenschneider dabeigehabt haben, einen mit dem man dicke Schlösser knacken kann. Sie wissen schon … Erst hat er ihr die Haut und die Muskeln abgeschält, um die Wirbelsäule freizulegen … das hier ist der erste Lendenwirbel, sehen Sie?“  Zita de las herras zeigte mit ihrem blutverschmierten, behandschuhten Finger auf eine Erhebung.
    Sam war zwar grob mit der menschlichen Anatomie vertraut, aber bei gewissen Innereien, Sehnen, Muskulatur- und Wirbelbezeichnungen hörte es dann auf. Trotzdem nickte er.
    „Na und dann hat er sich von unten nach oben vorgearbeitet. Sein Opfer leiden lassen bis zum letzten Atemzug. Er hat ihr erst hier unten ein paar Wirbel durchschnitten … und dann hier oben … sehen Sie hier die Vertebra prominens …“ Wieder zeigte sie auf eine weißliche Hervorhebung, die, wie Sam vermutete, der siebte Halswirbel war. Er galt als anatomischer Orientierungspunkt, weil man ihn auch von außen am besten ertasten konnte. … „darüber hat er sie schließlich ganz durchtrennt, wie eine dicke Metallkette. Das war ihr endgültiges Todesurteil.“ Zita lächelte Sam traurig an und gab zwei Beamten ein Zeichen, die Leiche abzutransportieren. Sie zog sich die Handschuhe ab und warf sie in eine Tüte, ohne dabei Sam aus den Augen zu lassen.
    „Hat das alles hier im Bett stattgefunden? Ich meine, das ist doch eine ziemlich blutige Angelegenheit, oder hat er sich noch die Zeit genommen, hinterher sauber zu machen?“
    „Die
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