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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Autoren: Andreas Gößling
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marschierte auf die Brücke zu, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. »Als Erstes muss
Das Buch
natürlich in schwarzes Kaninchenleder gebunden und der Umschlag muss von Kronus’ eigener Hand beschriftet sein.« Hebedank redete unablässig weiter, aber zu verstehen war nichts mehr. Das Tosen des Gründleinsbachs übertönte alle anderen Geräusche.
    Amos und Klara beeilten sich, zu ihm aufzuschließen.
    »Außerdem muss es von vorne bis hinten in einer ganz speziellen Handschrift verfasst sein«, fuhr Hebedank fort, während er mit großen Schritten den Hof durchmaß. »Kronus hat diese Art zu schreiben in seinen Klosterjahren gelernt«, erklärte er. »Nur ausgebildete Kopisten beherrschen diese Schrift, und wersich damit auch nur ein wenig auskennt, kann Original und Nachahmung leicht voneinander unterscheiden.«
    Wortlos gingen Amos und Klara ihm voraus bis zum einstigen Mühlhaus. »Wie gründlich sie hier alles verwüstet haben«, hörten sie Hebedank murmeln. »Armer Kronus. Du warst nicht nur ein weiser, sondern auch ein mutiger Mann.«
    Drinnen führten sie ihn gleich in die Hinterstube. Auf Kronus’ Pult lag säuberlich übereinandergeschichtet das Manuskript des Geisterbuchs, das sie vorgestern bis tief in die Nacht hinein aus dem Gedächtnis niedergeschrieben hatten.
    Hebedank warf nur einen flüchtigen Blick auf das Pult und sah sich dann suchend um. »Wo ist es?«
    »Nun ja – dort liegt es«, sagte Amos und deutete auf das Manuskript.
    »Bitte lasst Euch erklären«, setzte Klara hinzu.
    Doch Hebedank schüttelte neuerlich sein graues Haupt. Dazu schaute er so grimmig drein, dass sie kein weiteres Wort der Erklärung anzufügen wagten. Stumm trat er hinter das Pult und blätterte in dem Manuskript herum. Dabei schüttelte er wieder und wieder den Kopf, als ob er niemals vorher ein nichtswürdigeres Schriftstück erblickt hätte.
    Amos sah Klara beschwörend an. Was machen wir jetzt nur?
    Wir müssen versuchen, ihm alles zu erklären , gab Klara zurück.
    Aber er wird wieder nur behaupten, dass wir Betrüger seien!
    Hebedank ließ seine Faust auf das Pult niederkrachen und Amos und Klara fuhren vor Schreck zusammen. »Wer hat das hier gekrakelt?«, schrie der Setzer und sein Antlitz verfärbte sich feuerrot. »Das ist nicht Kronus’ Manuskript – das ist kindisches Geschmiere, der erbärmlichste Betrugsversuch, der mir jemals untergekommen ist!«
    »Bitte, Herr, wir können alles erklären«, flehte Klara.
    »Was gibt es da zu erklären?«, schrie Hebedank. »Ihr habt mich hierhergelockt, aber weder ist Kronus hier noch habt ihr sein Buch gerettet! Ihr seid Lügner und Betrüger – nichts sonst!«
    »Jetzt hört uns doch an, Himmel noch mal!« Amos hatte nun wirklich genug von Hebedanks Gepolter. »Das Original ist verbrannt«, sagte er. »Vor Euch liegt die Abschrift, die Klara und ich aus dem Gedächtnis angefertigt haben.«
    »Verbrannt?«, wiederholte Hebedank, immer noch schreiend. »Hast du eben ›verbrannt‹ gesagt? Wer zum Henker hat es gewagt,
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zu verbrennen?«
    Klara senkte den Kopf. »Das war ich, Herr. Es ging nicht anders.«
    Hebedank starrte sie an. »Du?«, schrie er. »Du hast das kostbarste aller Bücher verbrannt? Warum hast du das getan?«
    »Aber das wollen sie dir doch gerade erklären, Johann«, mischte sich eine wohlbekannte Stimme ein. Sie alle fuhren herum und starrten auf die zierliche Gestalt, die auf einmal in der einstigen Schreibstube stand. »Warum musst du nur immer gleich so feuerköpfig herumschreien?«, sagte Kronus. »Amos und Klara haben
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gerettet – und nun wird alles gut.«
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    K
ronus!«
Amos starrte ihn an wie einen Geist. »Seid Ihr es wirklich, mein lieber Herr?«
    Der alte Mann trat zu Amos und umarmte ihn, kurz und federleicht. »Sei mir gegrüßt, Amos von Hohenstein.«
    Sein Haar war schneeweiß geworden und reichte ihm bis auf die Schultern. Auch der lange weiße Bart gab ihm ein fremdes Aussehen, mehr einem Heiligen oder Einsiedler ähnlich als einem Dichter und Schriftgelehrten. Und doch war es Valentin Kronus, kein Zweifel – seine Augen leuchteten wie früher und das stille Lächeln ließ sein Antlitz erstrahlen.
    »Wie wunderbar, Herr«, stammelte Amos, »dass Ihr noch lebt!«
    Kronus wandte sich zu Klara, fasste sie bei den Händen und lächelte sie an. »Und auch du, Klara Thalgruber – sei mirgegrüßt.« Er wirkte noch zerbrechlicher als früher, seine Haut blass, beinahe durchscheinend wie
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