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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Autoren: Andreas Gößling
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Papier.
    »Wo kommst du auf einmal her, Kronus?«, polterte Hebedank dazwischen. »Warst also doch du es, der mir den Brief geschrieben hat?«
    Kronus schüttelte den Kopf. Er schien durchaus nicht erstaunt, seine einstige Bibliothek und Schreibstube so vollständig verwüstet vorzufinden. »Kommt mit«, sagte er, »ich will euch zeigen, wo ich mich vor Cellari und seinen Häschern verborgen hatte.«
    Amos und Klara wechselten einen Blick. Kronus hatte sich bereits umgewandt und schritt leichtfüßig nach draußen. Auf dem Hof wandte er sich nach links, blieb aber nach einigen Schritten stehen und deutete zu dem schmalen Pfad, der steil ins Tannenholz hinaufführte, zur Linken des herabtosenden Bachs. »Du kennst den Weg besser als ich, Amos«, sagte er. »Aber lass es mich Klara und unserem wackeren Hebedank rasch erklären: Der Pfad führt durch den Wald zur Burg Hohenstein hinauf. Auf halber Strecke entspringt der Gründleinsbach aus einem Felsspalt, der wie ein großer, lächelnder Mund aussieht. Und in diesem Felsspalt habe ich die letzten Wochen verbracht.«
    Amos schaute ihn mit großen Augen an. Er konnte noch gar nicht recht glauben, dass Kronus wirklich am Leben war. »In der Quelle, Herr?«, fragte er.
    Lächelnd schüttelte Kronus den Kopf. »Der Spalt ist nur der Eingang zu einem verzweigten Netz aus Höhlen und Gängen im Fels. Wenn man hineinkriecht, muss man ein wenig aufpassen, damit man sich nicht von Kopf bis Fuß durchnässt. Aber wenn man sich ganz schmal macht und links am Wasser vorbeischlängelt, kommt man einigermaßen trocken durch. Gleich drinnen beginnt ein Felsgang, der nach ein paar Dutzend Schritten in eine geräumige Höhle führt.« Er schaute von Amos zu Klara. »Ihr werdet es euch schon gedacht haben«, fuhr er fort, »auch diese Höhle war in alten Zeiten ein heidnisches Heiligtum – nicht viel anders als der ›sehende See‹ von Rogár.«
    »Ihr kennt Rogár?«, fragte Klara.
    Doch Kronus ging mit einem Lächeln darüber hinweg. »Schon vor längerer Zeit«, sagte er, »hatte ich in jener Höhle einen kleinen Notvorrat angelegt – Federn und Tinte, Papier und Kerzen, aber auch haltbare Nahrung in gut verpichten Behältern. Denn ich ahnte ja seit Langem, dass die Ketzer- und die Bücherjäger mich irgendwann aufspüren würden. Wasser gibt es dort drinnen mehr als genug, und bei Tag scheint die Sonne durch kleine Löcher im Fels, sodass es dort nie gänzlich finster wird.«
    In Amos’ Innerem wirbelten die unterschiedlichsten Gefühle durcheinander – Freude, Erstaunen, auch eine leise Bitterkeit. »Aber wenn Ihr die ganze Zeit dort in der Höhle saßet«, sagte er zu Kronus, »warum habt Ihr mir nie ein Zeichen gegeben? Ich habe mich so sehr um Euch gesorgt. Wieder und wieder habe ich versucht, auf magischem Weg mit Euch Verbindung aufzunehmen, doch Ihr habt mir niemals geantwortet. Und schließlich glaubte ich, dass Ihr nicht mehr am Leben wäret.« Er hatte versucht, es nicht vorwurfsvoll klingen zu lassen, aber mit jedem Wort spürte er deutlicher, wie sehr es ihn kränkte, dass Kronus ihm in all der Zeit nicht das kleinste Zeichen gesandt hatte.
    »Sei mir nicht gram, Amos«, sagte der alte Mann. »Nachdem ich in die Höhle geflohen war, habe ich dich ja noch herbeigerufen – aber dann mit einem Mal kam etwas über mich, das weit stärker war als ich.«
    Argwöhnisch schaute ihn Amos an. »Was war das, Herr, das so plötzlich über Euch kam?«
    Kronus fuhr sich mit faltiger Hand über seine tief zerfurchte Stirn. »Erinnerst du dich noch, was ich dir einmal über den Gesang der Wandlungen erzählt habe?«
    »Niemals werde ich auch nur ein einziges Eurer Worte vergessen.« Amos schloss kurz die Augen. »Den Gesang der Wandlungen hat vor tausend Jahren ein Araber niedergeschrieben. Der Mann war eigentlich ein einfacher Ratsschreiber, aber aus heiterem Himmel wurde er mit einem Mal zum Gefäß übermächtigerGesichte. Anfangs sträubte er sich dagegen, doch erst nachdem er alles niedergeschrieben hatte, verließen ihn die Visionen wieder und er kehrte erleichtert zu seinem früheren Leben zurück.«
    Kronus nickte anerkennend. »Vortrefflich, Amos. So ist es dem arabischen Ratsschreiber ergangen – und vor Kurzem erst hat ein gewisser alter Mann etwas recht Ähnliches mitgemacht.«
    »Ihr meint Euch selbst, Herr?«, fragte Klara und diesmal erhielt auch sie eine Antwort von Kronus.
    »Du und Amos seid noch jung und bei guten Kräften«, sagte er. »Da könnt ihr euch kaum
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