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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Autoren: Andreas Gößling
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nahmen die alten magischen Denkweisen und Praktiken noch ganz selbstverständlich als reale Erfahrungs- und Handlungsweisen wahr, auf die man um ganz realer Ziele willen zurückgreifen konnte – wenn man nur über das erforderliche Geheimwissen verfügte (und sich vor der Inquisition in Acht nahm).
»Heidnische« Schriftmagie
    Als die schottischen Missionare im späten 7. Jahrhundert in der Würzburger Gegend eintrafen, war Franken noch weithin von »heidnischen« Germanen besiedelt. Sie beteten die Götter Odin und Thor und die Göttinnen Frigg und Fulla an. Die Germanen besaßen ein eigenes Schriftsystem, bestehend aus 24 Runen, mit dem noch im 14. Jahrhundert in Europa geschrieben wurde. Allerdings wurde die germanische Schrift mit fortschreitender Christianisierung ebenso zurückgedrängt wie der Glaube an die alten Gottheiten.
    Schriftkundig war bei den Germanen wohl meist nur eine kleine Oberschicht aus Priestern und Schreibern – außer in Südskandinavien, wo die Runenschrift am stärksten verbreitet war. Runen wurden hauptsächlich für Inschriften verwendet – zum Gedenken an besondere Personen oder Ereignisse und zu magischen Zwecken. In der sogenannten Lieder-Edda , einem vorchristlichen Schriftdenkmal aus Skandinavien, ist die Rede von Zauberrunen und -sprüchen, die Gott Odin den magiekundigen Geistern auf bemerkenswerte Weise abgelauscht haben soll: Volle neun Tage hing er kopfüber vom Weltenbaum Yggdrasil, bis ihm die Runenmagie offenbart wurde und er sich mit ihrer Hilfebefreien konnte. Wie auch in meinem Roman dargestellt, gravierte man bestimmte magische Runen in Pflüge, Türschwellen oder Waffen ein, um reiche Ernten zu erhalten, das eigene Heim vor Feinden zu beschützen oder Schwert und Speer unbezwingbar zu stärken. Bezeugt sind auch Orakelbräuche mit Runenstäbchen, die von Zauberpriestern geworfen und gedeutet wurden.
    Wie genau die germanischen Schriftmagier jeweils in Erfahrung brachten, welche Runen zu welchem Zweck zu verwenden waren, lässt sich allerdings heute nicht mehr feststellen: Die Überlieferung ist äußerst dürftig, zumal in den germanischen Kulturen esoterisches Wissen meist nur mündlich weitergegeben wurde. So ähnlich wie im Tempel unter dem heiligen Hain von Rogár könnte der runenmagische Kult also ausgesehen haben – aber sowohl den Schauplatz selbst als auch die geschilderten Rituale habe ich auf der Basis der mageren Forschungsbefunde mit dichterischer Freiheit erfunden und ausgeschmückt.
    Wirklich gab und gibt es dagegen das weitläufige Höhlensystem in den fränkischen Bergen nahe Pottenstein, durch das Amos und Klara mit Bruder Egberts frommer Schar vor den Ketzerjägern fliehen. Die »Teufelshöhle« mit dem beeindruckenden »Riesensaal« diente bereits in der Steinzeit als kultische Stätte, und die vielerlei Tropfsteinformationen haben die menschliche Einbildungskraft wohl seit jeher zu Deutungen angeregt. Mit ein wenig Fantasie kann man dort Riesenfiguren entdecken, Türme, Kanzeln, Kuppeln – und ein aufgeschlagenes steinernes Buch.
Falsche Nonnen im Kloster Mariä Schiedung
    Historisch verbürgt ist auch der zweifelhafte Status der Nonnen in Mariä Schiedung vor den Toren Nürnbergs. Dieses Kloster wurde im 14. Jahrhundert von reichen Nürnberger Damen gegründet, die des weltlichen Lebens überdrüssig waren. Es stand unter der Schirmherrschaft von Kaiser Ludwig dem Bayern (ca. 1281–1347), der jedoch vom Papst als Ketzer verfolgt wurde undmit dem Kirchenbann belegt worden war. Folglich erkannte der Vatikan das Kloster Mariä Schiedung nicht an, obwohl die Nonnen dort nach den strengen Regeln des Augustinerordens lebten. Diese Misshelligkeiten sind zwar seit Langem überwunden, als in meinem Roman die falschen Nonnen Mutter Maria und ihre Mitschwestern im Heiliggeistspital ihr Verwirrspiel betreiben. Doch wenn Ende des 15. Jahrhunderts in Nürnberg von »falschen Augustinerinnen« die Rede ist, denkt man noch immer als Erstes an die Stiftsdamen aus dem Kloster Mariä Schiedung.
    Das Heiliggeistspital war damals tatsächlich das größte Spital und Hospiz in Nürnberg und weit darüber hinaus. Auch dass der mächtige Bau die kaiserlichen Reichskleinodien beherbergte, entspricht der historischen Wirklichkeit. Das gilt schließlich auch für den Brückenbau, von dem aus Klara und die »echte« Mutter Sophia vor den Ketzerjägern fliehen. Allerdings habe ich die Fertigstellung dieses Spitalanbaus über der Pegnitz aus dramaturgischen Gründen um
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