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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Autoren: Andreas Gößling
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sich mit dem Rücken gegen die kalte Felswand und schloss die Augen. Es machte kaum einen Unterschied, ob er seine Lider öffnete oder schloss. So wie es wohl auch keinen Unterschied machte, ob er um Gnade winselte oder sich in sein Schicksal ergab. Wen die Inquisition erst einmal in ihren Fängen hatte, dessen Leben war verwirkt. Wie oft hatte er früher von Unglücklichen erzählen gehört, die von den Hexen- und Ketzerjägern verhaftet worden waren! Solche Geschichten wurden stets nur mit ängstlich gedämpfter Stimme weitergegeben und sie gingen ausnahmslos grässlich aus.
    Die beiden Soldaten, die der Fürstbischof mit Waldo und Franz angeredet hatte, traten in den Fackelschein vor seiner Kerkertür. Erstaunt sah Amos vom einen zum andern. Kein Wunder, dass ihre Stimmen ihm so bekannt vorgekommen waren – es waren wahrhaftig die Gardisten, die das Tor der Bischofsburg bewacht hatten, als Klara und er Einlass begehrt hatten. Warum hatte der Herr Georg gerade diese beiden beauftragt, ihn nach Nürnberg zu bringen? Schließlich hatte Amos mit eigenen Augen gesehen, dass hier in der Burg auch ein Trupp Kirchenkrieger stationiert war. Wenn ihn der Fürstbischof doch nach Nürnberg schaffen lassen wollte – warum nicht durch diese päpstlichen Soldaten in den purpurroten Uniformen, die dem Inquisitor direkt unterstellt waren? Sonderbar, dachte Amos. Doch weit mehr nocherstaunte ihn, dass die beiden Torwächter wie fahrende Händler gekleidet waren. Anstelle ihrer Uniformen trugen sie eng anliegende Hosen, darüber weite Hemden und Umhänge, unter denen allerdings ihre Kurzschwerter hervorblitzten.
    Der Jüngere der beiden nestelte einen Schlüssel aus der Gürteltasche und stieß ihn ins Türschloss. Das musste Waldo sein, der schnauzbärtige, hochgewachsene Wachsoldat, der Klara und Amos bei ihrer Ankunft so grimmig gemustert hatte. »Kein Wort, sonst …«, sagte Waldo in drohendem Tonfall und zeigte Amos seine Faust.
    Amos nickte ihm zu. Er wusste genau, wovor die beiden Wächter sich fürchteten, und er konnte es ihnen wahrlich nicht verdenken. Ihm selbst erging es ja kaum anders – wenn er daran dachte, wie er bei jenem Treffen alle Versammelten in die magisch beschworene Vergangenheit zurückgerissen hatte, dann wurde auch ihm noch immer ganz unheimlich zumute.
    »Und sieh auf den Boden!«, fuhr ihn Franz an – der ältere Wächter, der Klara und ihn damals zu den Gemächern des Hofkaplans gebracht hatte.
    Franz war von stämmiger Gestalt und nicht mehr ganz jung an Jahren – das Haupthaar gelichtet, das runde Gesicht wie von einem geheimen Kummer zerfurcht. Während sie dem Wachsoldaten durch das Burggelände gefolgt waren, hatte Amos noch geglaubt, dass sie ihm vertrauen dürften und er vielleicht sogar selbst der Bruderschaft Opus Spiritus angehörte. Allerdings hatte derselbe Franz ihn bei seinem missglückten Fluchtversuch unerbittlich festgehalten, während Waldo ihm von hinten seinen Knüppel auf den Kopf geschlagen hatte. Und gerade in dem Sekundenbruchteil, bevor Amos in den Abgrund der Ohnmacht hinabgestürzt war, hatte ihn eine Erkenntnis durchzuckt, die ihn immer noch tief erschreckte, sobald er auch nur flüchtig daran dachte.
    Bei dem ganzen mörderischen Verwirrspiel, in das die Bruderschaft Opus Spiritus sie alle verwickelt hatte, musste es um etwas sehr viel Mächtigeres und sehr viel Gefährlicheres gehen, als er bishergeglaubt hatte. Um die Erweckung magischer Kräfte weit jenseits jener Fähigkeiten, die in ihm selbst und in Klara durch die ersten beiden Geschichten aus dem
Buch der Geister
bereits wach geworden waren. Gefühlsmagie und Gedankensprache – das waren nur die allerersten Stufen auf einer Treppe, die bis in schwindelnde Höhen führte. Oder bis in höllische Tiefen – je nachdem.
    Woher ihm diese Erleuchtung gekommen war, hätte Amos nicht sagen können, aber er spürte genau, dass es die reinste Wahrheit war. Seitdem fürchtete er sich vor den magischen Kräften, die durch das
Buch der Geister
in ihnen erweckt worden waren – und er verspürte sogar zuweilen ein leises Unbehagen, wenn er Klara Gefühls- und Gedankenbotschaften schickte oder von ihr auf dem gleichen Weg Nachrichten erhielt. Welche Fähigkeiten die dritte und die vierte Geschichte zusätzlich in ihren Lesern erwecken konnten, hatte Valentin Kronus ihm niemals verraten wollen – und manchmal fragte sich Amos, ob der alte Mann sich in diesem Punkt vielleicht deshalb so hartnäckig ausgeschwiegen hatte, weil
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