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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer
Autoren: Jeffery Deaver
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Logan abfangen sollten. Aber offenbar waren sie zu spät gekommen.
    »Sind Sie bereit für das Video?«, fragte Dance.
    »Kann losgehen.« Rhyme bewegte einen seiner wenigen funktionierenden Finger – den Zeigefinger der rechten Hand – und fuhr mit dem batteriebetriebenen Rollstuhl näher an den Monitor heran. Er war ein C4-Patient, also am vierten Halswirbel verletzt und von den Schultern abwärts fast vollständig gelähmt.
    Auf einem der großen Flachbildschirme des Labors öffnete sich ein Fenster. Man sah die körnige Nachtsicht-Aufnahme eines Flugfeldes. Im Vordergrund befand sich ein Zaun, zu dessen beiden Seiten Abfälle am Boden lagen, weggeworfene Schachteln, Dosen und andere Behälter. Ein privater Frachtjet rollte ins Bild, und sobald er anhielt, öffnete sich hinten eine Luke, und ein Mann sprang heraus.
    »Das ist er«, sagte Dance leise.
    »Ich kann ihn nicht deutlich genug erkennen«, sagte Rhyme.

    »Das ist eindeutig Logan«, versicherte Dance. »Es wurde ein Teilabdruck gefunden – aber sehen Sie selbst.«
    Der Mann streckte die Glieder und orientierte sich dann. Er schwang sich eine Tasche über die Schulter, lief geduckt zu einem Schuppen und versteckte sich dahinter. Einige Minuten später kam ein Arbeiter vorbei und brachte ein Paket, das so groß wie zwei Schuhkartons war. Logan grüßte ihn und erhielt das Paket im Tausch gegen einen großen Briefumschlag. Der Arbeiter sah sich um und ging schnell weg. Ein Wartungsfahrzeug hielt in der Nähe. Logan kletterte auf die Ladefläche und versteckte sich unter einer Plane. Der Wagen fuhr aus dem Bild.
    »Was ist mit der Frachtmaschine?«, fragte Rhyme.
    »Die hat ihren Charterflug nach Südamerika fortgesetzt. Pilot und Kopilot behaupten, sie wüssten nichts von einem blinden Passagier. Das ist natürlich gelogen, aber die beiden befinden sich nicht mehr in unserem Zuständigkeitsbereich, und wir können sie nicht verhören.«
    »Und der Arbeiter?«, fragte Sachs.
    »Die Bundespolizei hat ihn verhaftet. Er ist beim Flughafen angestellt, zum Mindestlohn. Er behauptet, ein Unbekannter habe ihm gesagt, er solle das Paket abliefern und würde dafür zweihundert Dollar bekommen. Das Geld war in dem Umschlag. Daher stammt auch der Fingerabdruck.«
    »Was war in dem Paket?«, fragte Rhyme.
    »Er sagt, er wisse es nicht, aber auch er lügt – ich habe die Videoaufnahmen des Verhörs gesehen. Unsere DEA-Leute nehmen ihn in die Mangel. Ich hätte am liebsten selbst versucht, ihm die eine oder andere Information zu entlocken, aber es würde zu lange dauern, die entsprechende Genehmigung zu erhalten. «
    Rhyme und Sachs sahen sich an. Was das »Entlocken« von Informationen anging, stapelte Dance hier ein wenig zu tief. Sie war eine Expertin für Kinesik – Körpersprache – und zählte zu
den besten Vernehmungsbeamten des Landes. Leider waren die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko so angespannt, dass eine Polizistin aus Kalifornien einen Berg von Papierkram bewältigen musste, bevor man ihr gestatten würde, südlich der Grenze ein formelles Verhör durchzuführen. Die amerikanische Drug Enforcement Agency hingegen hatte bereits offiziell genehmigte Leute vor Ort.
    »Wo in der Stadt wurde Logan gesichtet?«, fragte Rhyme.
    »In einem Geschäftsviertel. Man hat ihn zu einem Hotel verfolgt, aber da ist er nicht geblieben. Diaz’ Leute glauben, er hat sich dort mit jemandem getroffen. Bis sie die Überwachung eingerichtet hatten, war er schon wieder weg. Wenigstens haben alle Strafverfolgungsbehörden und Hotels nun sein Foto.« Dance fügte hinzu, Diaz’ Boss, ein sehr hohes Tier bei der Polizei, würde die Leitung der Ermittlungen übernehmen. »Dass man den Fall dort so ernst nimmt, gibt Anlass zur Hoffnung. «
    Ja, Hoffnung, dachte Rhyme. Aber er war auch enttäuscht. So kurz vor der Entdeckung des Gejagten zu stehen und dennoch so wenig Kontrolle über die Ereignisse zu haben … Er ertappte sich dabei, dass er schneller atmete. Und er dachte an die letzte Auseinandersetzung mit dem Uhrmacher zurück. Logan war ihnen immer einen Schritt voraus gewesen und hatte mühelos seinen Mordauftrag erfüllt. Rhyme hatte über alle Fakten verfügt, um Logans Vorgehensweise durchschauen zu können. Doch er hatte sich komplett in die Irre führen lassen.
    »Übrigens, wie war denn der romantische Wochenendausflug? «, fragte Sachs nun Kathryn Dance. Rhyme vermutete, dass es dabei um Dances neuen Freund ging. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder war
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