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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer
Autoren: Jeffery Deaver
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seit einigen Jahren verwitwet.
    »Sehr schön«, erwiderte die Agentin.
    »Und wohin ging die Reise?«
    Rhyme fragte sich, wieso, zum Teufel, Sachs sich nach Dances
Privatleben erkundigte. Sie ignorierte seinen ungehaltenen Blick.
    »Nach Santa Barbara. Unterwegs haben wir uns das Schloss von Hearst angesehen … Hören Sie, ich warte nach wie vor darauf, dass Sie beide uns mal besuchen kommen. Die Kinder möchten Sie wirklich gern kennenlernen. Wes hat für die Schule einen Aufsatz über forensische Wissenschaft geschrieben und dabei Sie erwähnt, Lincoln. Seine Lehrerin hat früher in New York gewohnt und damals alles Mögliche über Sie in der Zeitung gelesen.«
    »Ja, das wäre schön«, sagte Rhyme und war in Gedanken ausschließlich in Mexiko City.
    Sachs lächelte über seinen gereizten Tonfall und sagte Dance, sie müssten nun Schluss machen.
    Nachdem sie die Verbindung getrennt hatten, wischte Sachs einige Schweißperlen von Rhymes Stirn – er hatte die Feuchtigkeit gar nicht bemerkt. Dann saßen sie einen Moment schweigend da und schauten zum Fenster hinaus auf einen Wanderfalken, der heranschwebte und in seinem Nest auf dem Fenstersims im ersten Stock landete. Wenngleich diese Raubvögel in größeren Städten häufig vorkamen – denn es gab dort jede Menge fette schmackhafte Tauben zu erbeuten –, bauten sie ihre Nester für gewöhnlich in größerer Höhe. Aus irgendeinem Grund hatten aber nun schon mehrere Generationen der Tiere Rhymes Haus als Nistplatz auserkoren. Er mochte das. Die geschickten Vögel waren faszinierend zu beobachten und erwiesen sich als perfekte Untermieter, denn sie stellten keinerlei Ansprüche an ihn.
    »Und, habt ihr ihn?«, meldete sich eine männliche Stimme.
    »Wen?«, herrschte Rhyme ihn an. »Und was soll das heißen, ob wir ihn ›haben‹?«
    »Den Uhrmacher«, antwortete Thom Reston, Lincoln Rhymes Betreuer.

    »Nein«, knurrte Rhyme.
    »Aber ihr seid dicht dran, nicht wahr?«, fragte der adrette Mann, der heute eine dunkle Stoffhose, ein gestärktes gelbes Anzughemd und eine geblümte Krawatte trug.
    »Oh, dicht«, murmelte Rhyme. » Dicht . Sehr hilfreich. Wenn dich das nächste Mal ein Puma anspringt, Thom, wie würdest du es da finden, wenn der Wildhüter wirklich dicht dran vorbeischießen würde? Anstatt das Tier tatsächlich zu treffen ?«
    »Zählen Pumas nicht zu den gefährdeten Arten?«, fragte Thom ohne jeden Anflug von Ironie. Rhymes Spott prallte einfach an ihm ab. Er arbeitete schon seit vielen Jahren für den Kriminalisten, länger als manche Paare verheiratet waren. Und der Betreuer war so abgehärtet wie der zäheste Ehepartner.
    »Ha! Sehr witzig. Gefährdet!«
    Sachs stand auf, stellte sich hinter Rhyme und fing an, seine Schultern zu massieren. Sie war groß und in besserer Verfassung als die meisten NYPD-Detectives ihres Alters, und obwohl ihre Knie und unteren Extremitäten oft von Arthritis geplagt wurden, waren ihre Arme und Hände kräftig und weitgehend schmerzfrei.
    Sie waren beide für die Arbeit gekleidet: Rhyme trug eine schwarze Jogginghose und ein dunkelgrünes Strickhemd. Sachs hatte ihr marineblaues Jackett ausgezogen und trug die zugehörige Hose und eine weiße Baumwollbluse, deren oberster Knopf geöffnet war und den Blick auf eine Perlenkette freigab. Hoch an ihrer Hüfte steckte in einem Polymerholster eine Glock Automatik, daneben zwei Reservemagazine und ein Taser.
    Rhyme konnte ihre Finger spüren; oberhalb der damals fast tödlich verlaufenen Wirbelsäulenverletzung war sein Empfindungsvermögen tadellos. Zur Verbesserung seines Zustandes hatte er vor einer Weile eine riskante Operation erwogen, sich dann aber für einen anderen Behandlungsansatz entschieden. Mittels eines strikten Trainings- und Therapieprogramms war es
ihm gelungen, etwas Kontrolle über seine rechte Hand zurückzuerlangen. Außerdem konnte er seinen linken Ringfinger bewegen. Aus irgendeinem Grund hatte der herabstürzende Balken diese eine Nervenleitung intakt gelassen.
    Er kostete die Massage aus. Es war, als würde der kleine vorhandene Rest seiner Sinneswahrnehmung dadurch vergrößert. Rhyme schaute auf seine gelähmten Beine. Und schloss die Augen.
    Thom musterte ihn nun eindringlich. »Ist alles in Ordnung, Lincoln?«
    »In Ordnung? Abgesehen von dem Umstand, dass der Täter, hinter dem ich seit Jahren her bin, uns knapp entwischt ist und sich nun in der zweitgrößten Millionenstadt dieser Hemisphäre versteckt, ist alles einfach prima.«
    »Das
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