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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer
Autoren: Jeffery Deaver
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– am frühen Morgen,
während der Hauptverkehrszeiten und am frühen Abend oder bei hohen Temperaturen, wenn die durstigen Klimaanlagen ihren Saft verlangen.
    Um 11:20:20:003 Uhr an einem milden Apriltag traf nichts von alldem zu.
    »Schickt einen Störungssucher zu MH-Zwölf rüber. Vielleicht ein Kabelbruch. Oder ein Kurzer im …«
    In diesem Moment blinkte ein zweites rotes Licht auf.
    KRITISCHE STÖRUNG NJ-18 OFFLINE
    Ein weiteres Umspannwerk, gelegen in der Nähe von Paramus, New Jersey, war vom Netz gegangen. Es gehörte zu denen, die für Manhattan-12 eingesprungen waren.
    Der Leiter gab einen Laut von sich, der halb Lachen, halb Husten war. Die Verblüffung war ihm deutlich anzusehen. »Was, zum Teufel, geht hier vor? Die Last liegt innerhalb der Toleranzen. «
    »Sensoren und Anzeiger alle in Ordnung«, rief einer der Techniker.
    »Ein SCADA-Problem?«, fragte der Leiter. Algonquins Strom-Imperium wurde von einem ausgefeilten Überwachungs-und Datenerfassungsprogramm gesteuert, das auf riesigen UNIX-Computern lief. Das Akronym ergab sich aus der englischen Bezeichnung: S upervisory C ontrol and D ata A cquisition. Der legendäre Nordost-Blackout von 2003, der größte Stromausfall in der Geschichte Nordamerikas, war zum Teil durch eine Reihe von Softwarefehlern verursacht worden. Die Systeme von heute würden eine solche Katastrophe nicht mehr zulassen, aber das hieß natürlich nicht, dass nicht irgendeine andere Computerpanne auftreten konnte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte einer seiner Mitarbeiter langsam.
»Aber ich schätze, das muss es wohl sein. Laut Diagnoseanzeige gibt es keine direkten Beschädigungen der Leitungen oder der Umspanntechnik.«
    Der Leiter starrte den Bildschirm an und wartete auf den nächsten logischen Schritt: die Mitteilung, welches neue Umspannwerk – oder welche neuen Umspannwerke – einspringen würde(n), um die durch den Verlust von NJ-18 aufgetretene Versorgungslücke auszugleichen.
    Doch es kam keine solche Mitteilung.
    Die drei Umspannwerke in Manhattan – 17, 10 und 13 – machten allein weiter und versorgten zwei Gebiete der Stadt mit Strom, die ansonsten ausgefallen wären. Das SCADA-Programm tat nicht, was es hätte tun müssen: andere Umspannwerke zur Unterstützung hinzuschalten. Die Elektrizitätsmenge, die von jenen drei Stationen nun bewältigt werden musste, stieg dramatisch an.
    Der Leiter rieb sich den Bart und wartete noch einen Moment darauf, dass eine andere Schaltanlage automatisch einspringen würde. Vergeblich. »Zweigen Sie manuell Leistung von Q-Vierzehn in den östlichen Versorgungsbereich von MH-Zwölf ab«, wies er dann seinen erfahrensten Mitarbeiter an.
    »Jawohl, Sir.«
    Nach ein paar Sekunden rief der Leiter: »Nein, sofort.«
    »Hm. Ich versuch’s ja.«
    »Sie versuchen es? Was soll das heißen, versuchen ?« Die Aufgabe erforderte lediglich ein paar simple Tastendrücke.
    »Das System reagiert nicht.«
    »Unmöglich!« Der Leiter stieg die wenigen Stufen zum Computer des Technikers hinunter und tippte die Befehle ein, die er in- und auswendig kannte.
    Nichts.
    Die Spannungsanzeigen waren am Ende des grünen Bereichs. Es drohte Gelb.

    »Das ist nicht gut«, murmelte jemand. »Wir haben ein Problem. «
    Der Leiter lief zurück zu seinem Platz und ließ sich auf den Stuhl fallen. Dabei wischte er versehentlich seinen Müsliriegel und den Pappbecher mit den griechischen Sportlern vom Tisch.
    Dann fiel der nächste Dominostein. Ein dritter roter Punkt fing an zu blinken, als wäre er das Zentrum einer Zielscheibe. Der SCADA-Computer meldete leidenschaftslos:
    KRITISCHE STÖRUNG MH-17 OFFLINE
    »Nein, nicht noch eins!«, flüsterte jemand.
    Und wie zuvor sprang auch diesmal kein anderes Umspannwerk ein, um dabei zu helfen, die unersättliche Stromgier der New Yorker zu befriedigen. Zwei Schaltanlagen erledigten die Arbeit von fünf. Die Temperatur der dort ankommenden und abgehenden Leitungen stieg, und die Spannungsanzeigen auf dem großen Monitor standen inzwischen weit im gelben Bereich.
    MH-12 OFFLINE. NJ-18 OFFLINE. MH-17 OFFLINE. UL AN BETROFFENE VERSORGUNGSGEBIETE VON MH-10, MH-13
    »Besorgt mir mehr Saft für die Gebiete«, befahl der Leiter. »Egal wie. Egal woher.«
    »Ich hab hier vierzig kV«, rief eine Frau von einem der Kontrollplätze. »Ich leite sie über Feeder aus der Bronx hinunter.«
    Vierzig Kilovolt waren nicht viel, und es würde schwierig sein, sie über Speiseleitungen heranzuführen, die nur für etwa ein Drittel
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