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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer
Autoren: Jeffery Deaver
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Oberkörper nach hinten gegen das Seitenfenster gerissen.
    Im Hintergrund hallten die Schreie der Passagiere.
    Flammen loderten empor.
    Mit schwindendem Bewusstsein fragte der Fahrer sich, ob womöglich er selbst brannte.

… Drei
    »Es tut mir leid. Er ist aus dem Flughafen entwischt. Vor einer Stunde wurde er in der Innenstadt von Mexico City gesichtet.«
    »Nein«, sagte Lincoln Rhyme seufzend und schloss kurz die Augen. »Nein …«
    Amelia Sachs, die neben Rhymes leuchtend rotem Rollstuhl Modell Invacare TDX saß, beugte sich zu dem schwarzen Telefon mit der Freisprechanlage vor. »Was ist passiert?« Sie nahm ihr langes rotes Haar und fasste es im Nacken zu einem schmucklosen Pferdeschwanz zusammen.
    »Bis wir die Flugdaten aus London erhalten hatten, war die Maschine schon gelandet.« Die Stimme der Frau erklang klar und deutlich aus dem Lautsprecher. »Wie es aussieht, hat er sich erst in einem Lieferwagen versteckt und ist dann durch einen Personaleingang hinausgeschlichen. Ich zeige Ihnen das Überwachungsband, das die mexikanische Polizei uns geliefert hat. Ich habe einen Link. Moment.« Ihre Stimme wurde leiser. Sie sprach offenbar mit einem Mitarbeiter und erteilte ihm Anweisungen bezüglich des Videos.
    Es war kurz nach Mittag, und Rhyme und Sachs befanden sich in dem forensischen Labor und einstigen Salon im Erdgeschoss seines Stadthauses am Central Park West. Rhyme stellte sich bisweilen vor, wer dieses viktorianische Gebäude im gotischen Stil wohl früher bewohnt haben mochte. Harte Geschäftsleute, halbseidene Politiker, gewiefte Gauner. Vielleicht ein unbestechlicher Polizeichef, der gern mal die Fäuste sprechen ließ.
Rhyme hatte ein Buch über Verbrechen im alten New York geschrieben und im Zuge seiner Nachforschungen versucht, mehr über die Geschichte seines Hauses herauszufinden. Leider war es ihm nicht gelungen.
    Die Frau, mit der sie gerade sprachen, hielt sich gewiss in einem moderneren Gebäude auf, vermutete Rhyme, nämlich in einer Dienststelle des California Bureau of Investigation, gelegen im mehr als viertausend Kilometer entfernten Monterey. CBI-Agentin Kathryn Dance hatte vor einigen Jahren mit Rhyme und Sachs an einem Fall gearbeitet, bei dem es um genau den Mann gegangen war, den sie auch jetzt im Visier hatten. Soweit sie wussten, lautete sein richtiger Name Richard Logan. Doch wenn Lincoln Rhyme an ihn dachte, dann meist unter seinem Spitznamen: der Uhrmacher.
    Der Mann war ein Berufsverbrecher, der seine Taten mit der gleichen Präzision plante, mit der er sich auch seinem leidenschaftlich betriebenen Hobby widmete: der Konstruktion von Uhren. Rhyme und der Killer waren bereits mehr als einmal aufeinandergetroffen; einen von Logans Plänen hatte Rhyme durchkreuzen können, einen anderen nicht. Dennoch betrachtete er die Angelegenheit insgesamt als eine Niederlage, denn der Uhrmacher saß nicht in Haft.
    Rhyme lehnte sich gegen die Kopfstütze seines Rollstuhls und dachte an Logan. Er hatte dem Mann gegenübergesessen. Schlank, mit dunklem jungenhaftem Haarschopf und leicht belustigtem Blick, weil die Polizei ihn verhörte. Nichts an ihm hatte auf den geplanten Massenmord hingedeutet, und seine Gelassenheit schien angeboren zu sein. Nach Rhymes Ansicht war das die womöglich verstörendste Eigenschaft dieses Mannes. Emotionen führten zu Fehlern und Unachtsamkeiten, aber Richard Logan war die Selbstbeherrschung in Person.
    Er konnte für Diebstähle, illegalen Waffenhandel oder jede beliebige andere Tätigkeit angeworben werden, die sorgfältige
Planung und rücksichtslose Durchführung erforderte, aber meistens wurde von ihm verlangt, einen Zeugen, Informanten, Politiker oder Geschäftsmann auszuschalten. Jüngsten Erkenntnissen zufolge hatte er einen Mordauftrag angenommen, der irgendwo in Mexiko durchgeführt werden sollte. Rhyme hatte Dance verständigt, die über zahlreiche Kontakte südlich der Grenze verfügte – und die bei dem früheren Fall beinahe von einem Gehilfen des Uhrmachers umgebracht worden war. Aufgrund ihrer guten Verbindungen fungierte Dance nun als Repräsentantin der amerikanischen Seite. Ziel war Logans Festnahme und Auslieferung. Sie arbeitete mit einem leitenden Ermittler der mexikanischen Bundespolizei zusammen, einem jungen fleißigen Beamten namens Arturo Diaz.
    Heute Morgen hatten sie erfahren, dass Logan in Mexico City landen würde. Dance hatte Diaz angerufen. Der wiederum hatte sich bemüht, zusätzliche Leute zum Flughafen zu schicken, die
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