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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer
Autoren: Jeffery Deaver
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Stromausfall hätte unweigerlich eine Zunahme von Überfällen, Plünderungen und Vergewaltigungen bedeutet, auch am helllichten Tag.
    Mit Strom bleiben die Leute anständig.
    »Sir?«, fragte der Techniker verzweifelt.
    Der Leiter starrte auf die steigende Spannungsanzeige. Er nahm sein Telefon und rief seinen Vorgesetzten an, einen stellvertretenden Direktor des Unternehmens. »Herb, es gibt ein Problem. « Er schilderte die Situation.
    »Wie konnte das passieren?«

    »Wir wissen es nicht. Ich vermute Terroristen.«
    »Mein Gott. Haben Sie die Homeland Security benachrichtigt? «
    »Ja, gerade eben. Im Wesentlichen versuchen wir, mehr Kapazität in die betroffenen Gebiete zu leiten. Aber wir haben nicht viel Glück.«
    Er sah die Anzeigebalken immer weiter in den roten Bereich steigen.
    »Okay«, sagte der stellvertretende Direktor. »Vorschläge?«
    »Uns bleibt kaum eine Wahl. Notabschaltung.«
    »Ein beträchtlicher Teil der Stadt wird mindestens einen Tag ohne Strom sein.«
    »Aber ich sehe keine anderen Optionen. Mit einer derart hohen Spannungslast fliegt uns die Station um die Ohren, wenn wir nichts unternehmen.«
    Sein Boss überlegte kurz. »Durch Manhattan-Zehn läuft noch ein zweites Kabel, nicht wahr?«
    Der Leiter schaute auf die Tafel. Eine Hochspannungsleitung führte durch das Umspannwerk und bog dann nach Westen ab, um Teile von New Jersey zu versorgen. »Ja, aber es ist nicht online. Es ist einfach nur in einem der Kabelkanäle dort verlegt.«
    »Könnte man es nicht anzapfen und zur Speisung der umgeleiteten Schaltungen benutzen?«
    »Von Hand? … Das müsste gehen, aber … aber das würde bedeuten, Leute ins Gebäude von MH-Zehn zu schicken. Und falls wir die Spannung während der Arbeiten nicht lange genug reduzieren können, springt sie über und wird alle töten. Oder ihnen am ganzen Leib Verbrennungen dritten Grades bescheren. «
    Eine Pause. »Moment. Ich rufe Jessen an.«
    Die Generaldirektorin der Algonquin Consolidated. Bei ihren Angestellten auch als »die Allmächtige« bekannt.
    Während er wartete, musterte der Leiter die Techniker um
sich herum. Und er starrte auf die Tafel. Auf die leuchtenden roten Punkte.
    Kritische Störung …
    Dann kam der Vorgesetzte wieder an den Apparat. Seine Stimme drohte zu versagen. Er räusperte sich. »Sie sollen Leute reinschicken«, sagte er nach einem Moment. »Und manuell die Leitung anzapfen.«
    »Das hat Jessen gesagt?«
    Wieder eine Pause. »Ja.«
    »Ich kann das niemandem befehlen«, flüsterte der Leiter. »Das ist Selbstmord.«
    »Dann treiben Sie irgendwie Freiwillige auf. Jessen hat angeordnet, dass Sie unter keinen, ich wiederhole, keinen Umständen eine Notabschaltung vornehmen dürfen.«

... Zwei
    Der Busfahrer lenkte den M70 vorsichtig durch den Verkehr auf die Haltestelle an der Siebenundfünfzigsten Straße zu, kurz vor der Kreuzung, an der die Zehnte Avenue zur Amsterdam Avenue wurde. Er hatte ziemlich gute Laune. Der neue Bus war ein Niederflurmodell, das sich absenkte, um den Ein- und Ausstieg zu erleichtern. Es hatte außerdem eine Rollstuhlrampe, ließ sich großartig steuern und, was am wichtigsten war, besaß einen hinternfreundlichen Fahrersitz.
    Den konnte er weiß Gott gut gebrauchen, denn er saß jeden Tag acht Stunden darauf.
    U-Bahnen interessierten ihn nicht, auch nicht die Long Island Railroad oder die Metro North. Nein, er stand auf Busse, trotz des irrwitzigen Verkehrsaufkommens, der Feindseligkeiten, Rechthabereien und Wutausbrüche. Ihm gefiel der demokratische Aspekt dabei: Leute aus allen Gesellschaftsschichten fuhren mit dem Bus. Man sah hier jeden, von Anwälten über aufstrebende Musiker bis zu Botenjungen. Taxis waren teuer und stanken; U-Bahnen hielten meistens nicht dort, wohin man wollte. Und zu Fuß gehen? Tja, das hier war Manhattan. Schön, wenn man die Zeit dafür hatte, aber wer hatte das schon? Überdies mochte er Menschen und freute sich, dass er nicken, lächeln oder Hallo sagen konnte, wann immer jemand in den Bus einstieg. Die New Yorker waren längst nicht so unfreundlich, wie oft behauptet wurde. Nur manchmal schüchtern, unsicher, zurückhaltend, gedankenverloren.

    Häufig reichte ein Lächeln, ein Nicken, ein einziges Wort … und du hattest einen neuen Freund.
    Was der Fahrer nur zu gern war.
    Wenn auch lediglich für sechs oder sieben Blocks.
    Die persönliche Begrüßung gab ihm zudem die Gelegenheit, die Verrückten zu erkennen, die Betrunkenen, die Dummköpfe und Blinzler, und zu
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